Pizza House Crash
frustriert.
»Wo ist das nächste Lokal? Wir könnten sie anrufen und uns von jemandem sein Paßwort geben lassen«, schlug ich vor. »Aber solche Informationen geben die Leute doch sicher nicht so einfach her?« meinte Anne ungläubig.
»Du würdest staunen, was du alles kriegst, wenn du dich als DRAC-Servicetechniker ausgibst«, sagte ich. »Es ist ein ziemlich verbreitetes System, und der Servicebereich der Firma ist groß. Wir haben den Trick schon benutzt, und er hat geklappt.«
»Also wirklich!« sagte sie empört.
Wir versuchten es noch zehn Minuten lang mit fruchtlosen Wortspielen. Dann sagte Warren: »Scheiße!« und hämmerte heftig auf die Tasten ein.
Die Paßwortabfrage verschwand höflich, und statt ihrer erschien die Information, wir seien nunmehr in einem J/Kirren zugeteilten Sektor der Harddisk. Warren wußte sich kaum zu halten, als er das Wort DIRECTORY tippte und eine Liste von Programmen und Dateien, an denen Julian gearbeitet hatte, auf dem Monitor erschien. Warren fluchte - vor Freude, nahm ich an -, und Anne und ich jauchzten triumphierend. »Warren, du bist brillant, wirklich brillant, alter Kumpel. Warum bin ich darauf nicht gekommen? Aber ich hätte gedacht, mein Cousin wäre doch ein bißchen kultivierter!« Ich lachte und umarmte ihn, während er Julians Dateiverzeichnis überflog.
»Das war’s nicht«, sagte Warren, und seine Finger tippten unablässig auf der Tastatur herum.
»Oh. Was war es dann?«
»Gummi.«
»Oh, Scheiße«, sagte Anne düster.
Das Hauptverzeichnis mit Julians Dateien, Programmen und Programmiertools zeigte an, daß es noch Unterverzeichnisse gab. In einem hatte er Memos abgespeichert, die er geschrieben hatte, und in einem anderen war, nach Datum sortiert, aufgelistet, woran er wann gearbeitet hatte. Wir suchten den Bildschirm nach Hinweisen ab, aber ich merkte, daß Warren dieses System nicht besonders interessant fand.
»Das ist ziemlich alltägliche Programmiererarbeit.« Er seufzte, stemmte sich mit der Wirbelsäule gegen die Stuhllehne und streckte die Beine aus.
»Mal sehen, was er an dem Tag gemacht hat, als er starb«, sagte ich. Warren rief das Verzeichnis auf, das die nach Zeit und Datum sortierten Dateien enthielt.
Der letzte Eintrag traf mich unvorbereitet. Mein Magen fühlte sich an wie unmittelbar nach einer steilen, schockierenden Schußfahrt auf der Achterbahn. Ich packte Warren bei der Schulter, um seine Hand zu bremsen. Es war kurz vor halb zwölf an einem Freitag abend, und Julians Programme hätten so tot sein müssen wie er selbst. Aber den Einträgen zufolge lief in diesem Augenblick ein Programm. Der Computer hatte den Programmstart verzeichnet wie die klaren frischen Umrisse eines Fußabdrucks in einem menschenleeren Sandstrand.
»Du hast dich doch gerade erst eingeloggt, nicht wahr, Warren?« fragte ich.
»Ja, aber dieses Programm könnte so eingestellt sein, daß es startet, sobald sich jemand einloggt. Könnte eine Sicherheitsfalle sein.«
Irgendwie war ich nicht überzeugt.
»Es läuft, aber was macht es? Auf dem Monitor gibt es keinen Hinweis auf irgendwelche Hintergrundarbeit. Laß uns herausfinden, was es ist, bevor wir weitergehen«, sagte ich. »Aufgelistet ist es als MESS.EXE. Laß uns ins Hauptverzeichnis zurückgehen und sehen, ob noch andere Dateien mit gleichem Präfix da sind.«
Eine halbe Stunde verging, bevor Warren wieder etwas sagte. Anne hatte mittlerweile beschlossen, zu Bett zu gehen.
»Weckt mich, wenn was passiert«, hatte sie müde gesagt. Ich ging noch einmal Kaffee kochen und setzte mich dann neben Warren, der jetzt die Programme durcharbeitete. Wir nahmen uns alles vor, was auch nur im entferntesten mit dem Programm MESS.EXE zusammenhängen konnte. Warren wußte, was ich wollte. Wenn ein Programmierer ein Programm schreibt, besteht das Resultat aus endlosen Zeilen von Computercode -einem sogenannten Programm-Listing -, meist in einer hochentwickelten Sprache geschrieben, die ein Mensch verstehen kann, aber der Mikroprozessor des Computers nicht. In der guten alten Zeit mußten Programmierer ihre Programminstruktionen Schritt für Schritt eingeben, indem sie eine Reihe von Schaltern mechanisch ein- oder ausschalteten, um damit einen Code zu produzieren, den die Maschinen verstanden. Heutzutage benutzen Programmierer Tastaturen und schreiben ihre Programme in hochentwickelten, dem Englisch ähnlichen Programmiersprachen, aber die Computer »denken« immer noch im »primitiven« Maschinencode. Daher
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