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Plage der Finsternis - Keohane, D: Plage der Finsternis

Titel: Plage der Finsternis - Keohane, D: Plage der Finsternis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel G. Keohane
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die in der Stille vor sich hin tickte.
    Durch ein Panoramafenster über ihren Füßen strömte Tageslicht. Joyce streckte die Hände empor und hielt sich an der Couch fest – es war nicht jene der Watts’; diese hier war älter und rauer. Dem Ort haftete ein vages Gefühl von Vertrautheit an.
    Besorgt darüber, was über ihr stehen mochte, setzte sie sich auf. Anscheinend war sie vorläufig allein. Nach einer Weile erhob sie sich und sah sich um, hoffte, etwas zu erblicken, an das sie sich klammern konnte, etwas, worüber sie sagen konnte: »Ja, das kenne ich!«
    Hinter ihr lachte eine Frau, entfernt aber deutlich. Joyce wirbelte herum und vernahm die Stimme erneut. Sie stammte von oben.
    Vorsichtig ging sie zum Fuß der Treppe. Die Stimme wurde nur geringfügig lauter. Undeutliche Worte, die sich glücklich anhörten. Weiteres Gelächter. Dann ertönte eine Männerstimme. Die Worte konnte Joyce wiederum nicht verstehen, aber der Klang erschütterte sie wie ein Schlag. Die vertraute Stimme ließ sie mit geröteten Zügen von der Treppe zurückweichen. Ein Mann und eine Frau, die sich in gedämpftem Tonfall hinter einer Tür unterhielten, die zu einem Schlafzimmer führen musste. Das war alles. Joyce sollte nicht hier sein.
    Neben ihr befand sich die Eingangstür. Joyce drehte den Knauf. Er rührte sich nicht. Sie versuchte es mit dem Schloss. Nichts. Gefangen, wie im Haus der Watts’. Erneut ertönte die Stimme des Mannes. Joyce hielt sich die Ohren zu und drehte sich dem Kücheneingang zu. Dabei fiel ihr Blick durch das Panoramafenster. Die Straße draußen kam ihr bekannt vor. Natürlich. Sie hatte gewusst, wo sie sich befand, sobald sie die Stimmen hörte, auch wenn sie sich nicht daran erinnerte, je zuvor hier gewesen zu sein. War sie auch nicht, Ray hingegen offenbar schon ...
    Nein, nein, nein! Aufhören! Gott, bitte, was tust du mir an? Was immer ich falsch gemacht habe, es tut mir leid. Bitte, hör auf damit.
    Sie rannte in die Küche, stieß die Schwingtür beiseite, ließ sie geräuschlos hinter sich zufallen. Auf der gegenüberliegenden Seite des Raumes war die Insektenschutztür geschlossen, die Innentür jedoch stand offen.
    Das am Tisch sitzende Mädchen bemerkte sie erst, als sie die Hand nach dem Türknauf ausstreckte. Bevor sie ihn berühren konnte, fiel die Innentür geräuschvoll zu. Joyce zog gerade noch rechtzeitig die Hand zurück, um zu vermeiden, dass ihre Finger eingeklemmt wurden. Die Jalousie senkte sich über das Türfenster herab, jene über dem Spülbecken schwankte in einer plötzlichen Bö.
    Joyce verharrte reglos, starrte auf die Tür und überlegte, was sie tun sollte. Von oben erklang die Frauenstimme – nunmehr deutlicher; anscheinend war die Schlafzimmertür geöffnet worden. »Gem, du bist doch nicht nach draußen gegangen, oder?«
    »Nein, Mom«, gab die Stimme eines Kindes aus der Küche zurück. Joyce sog scharf die Luft ein und drehte sich zu dem Mädchen um, das am gegenüberliegenden Ende des Tisches saß. Vor der Kleinen lagen zwei Malbücher und ein Dutzend Buntstifte in verschiedenen Farben und Größen verstreut.
    Joyce erkannte Gem sofort, obwohl sie höchstens drei oder vier Jahre alt war. Das Gesichtchen war der Schwingtür zum Wohnzimmer zugewandt. »Mrs. Lindu ist auf Besuch«, fügte sie hinzu. Dann drehte sie sich zu Joyce um und sagte mit neutraler Miene und deutlich leiser: »Hallo.«
    Joyce musterte sie eine Weile und versuchte zu verstehen, wo – nein wann – dies war. Sie musste etwas erwidern. »Hallo, Gem.« Wenigstens hatte sie ihre Stimme zurück. Ein kleiner Sieg.
    »Hallo«, wiederholte die kleine Gem. »Mommy ist gerade beschäftigt.« Sie blickte an Joyce vorbei zum Küchenfenster.
    »Ist dein Daddy auch zu Hause?«, fragte Joyce.
    Das Mädchen konzentrierte sich wieder auf sie und erwiderte lange nichts, lang genug, um Joyce Unbehagen zu verursachen. »Nein«, antwortete sie schließlich. »Nur Mommys Freund.«
    Das Lachen des Mannes hallte die Treppe herab, gefolgt von den leisen Schritten Deanna Davidsons – Joyce konnte nur davon ausgehen, dass sie es war –, die kam, um ihren Gast zu begrüßen. Wie als Reaktion auf die Stimme des Mannes legte Gem die Stifte hin und hielt sich mit beiden Händen die Ohren zu, ähnlich wie Joyce es getan hatte, als sie an der Vordertür stand.
    Niemand sprach ein Wort. Vorsichtig löste Gem eine Hand vom Ohr. Als sie feststellte, dass wieder Stille herrschte, ließ sie beide Hände sinken und ergriff

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