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Plage der Finsternis - Keohane, D: Plage der Finsternis

Titel: Plage der Finsternis - Keohane, D: Plage der Finsternis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel G. Keohane
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einen neuen Stift.
    Deannas dünner Morgenmantel umhüllte ihren zierlichen Körper, als sie beschwingt die Küche betrat. Sie war annähernd so groß wie Joyce, aber deutlich schlanker und hatte zerzaustes schwarzes Haar.
    Die Frau strahlte eine Anmut und Selbstsicherheit aus, wie Joyce es niemals geschafft hätte. Eine Hand hielt Deanna locker am Gürtel des Mantels. Ihre Finger strichen über die Seide. Die andere Hand streckte sie Joyce entgegen, als wäre sie eben zu einer von ihr veranstalteten Party erschienen. »Joyce Lindu«, sagte sie herzlich. »Was für eine angenehme Überraschung.«
    Was um alles in der Welt geht hier vor sich?
    Abwesend ergriff Joyce die Hand. Sie fühlte sich weich und warm an. »Ich ...«, setzte sie an, schluckte und wusste nicht, was sie sagen sollte. »Es tut mir leid, dass ich störe. Ich weiß nicht, wie ich hier rauskomme.«
    Deanna lachte, ließ Joyces Hand los und klopfte ihr schelmisch auf die Schulter. »Wer weiß das schon?«
    »Mommy ...«
    »Nicht jetzt, Gem.« Sie drehte sich nicht zur ihrer Tochter um, erhob nur warnend die Stimme. »Joyce, tut mir leid, dass ich Sie in dieser Aufmachung empfange, aber ich habe gerade Gesellschaft, und wir waren so beschäftigt miteinander, dass ich nicht gehört habe, wie Sie ...« Kurz kramte sie nach dem richtigen Ausdruck. »... aufgetaucht sind.« Sie lachte. Gem hielt sich erneut die Ohren zu und beobachtete den Wortwechsel.
    Joyce hätte die Frau am liebsten erdrosselt. Da es sich lediglich um einen Traum handelte, konnte sie vielleicht ...
    »Hallo, Joyce.«
    Ray betrat die Küche – nur in seiner weißen Unterwäsche. Gem quiekte verängstigt und bedeckte mit den Händen die Augen. Ray lächelte zu ihr herüber und grinste noch breiter. »Hallo, Kleines!« Gem stieß einen weiteren gequälten Laut aus und krümmte die Finger, um sie in die Ohren zu stopfen, ohne die Hände von den Augen zu lösen. Selbst ihr kleiner Körper schrak auf dem Stuhl vor ihm zurück.
    Joyce wollte brüllen, ohnmächtig werden, in diesem Augenblick sterben. Sie hatte gewusst, dass er oben gewesen war. Doch ihn nun hier zu sehen, war einfach zu viel.
    Dies war nicht geschehen. Sie war nie in diesem Haus gewesen. Niemals.
    Aber er.
    Nein!
    Ray trat vor und küsste sie leicht auf die Wange. Es brannte. »Was machst du denn hier, Schatz? Ist die Toilette wieder verstopft?«
    »Wa... was?«
    Deanna lachte, stellte sich neben Ray und schlang den rechten Arm um seinen muskulösen linken.
    Joyce beobachtete die beiden und fand es auf seltsame Weise tröstlich, dass Gem so verängstigt – oder vielleicht auch nur verlegen – wirkte. Sie wandte die Aufmerksamkeit dem Mädchen zu, da sie nicht wusste, wie sie mit dem Paar umgehen sollte ... aber natürlich hatte sie es gewusst. Schon immer. Was Joyce nicht erkennen konnte, war die Absicht hinter diesen Visionen. War sie gut oder böse? Sollten sie helfen oder nur quälen? Irgendwo schien eine allmächtige Katze mit ihrer Maus zu spielen, bis sie ihrer überdrüssig wurde und sie verschlang.
    »Joyce«, sagte Ray in unbeschwertem Tonfall, in dem jedoch unterschwellig Ungeduld mitschwang.
    Joyce drehte sich wieder ihm zu und ertappte sich dabei, gegen ihren Willen zu seinen Beinen hinabzublicken und seinen fast nackten Körper zu betrachten. Deannas schlanke, glatt rasierte Waden ragten dicht neben den seinen unter dem Morgenrock hervor. Joyce blinzelte, um das Bild zu vertreiben, und starrte stattdessen wie ein erschrockenes Kaninchen in die Augen ihres Ehemanns.
    »Das ist nie geschehen«, stieß sie niedergeschlagen und schicksalsergeben hervor. Ohne die Augen von ihm zu lösen, fragte sie: »Warum bin ich hier, Ray?«
    Deanna seufzte und entfernte sich einen Schritt von ihm. »Tja, die Zeit des Vergnügens ist vorüber, Schatz.« Sie küsste Ray auf die Wange, wie er es kurz zuvor bei Joyce getan hatte. Eine Hand ruhte immer noch auf dem Morgenrock, die Finger über dem Bauch gespreizt. Dann zog sie den Rock enger um sich und klatschte Ray auf den Hintern. »Du kennst ja den Weg hinaus. Komm mit, Gem, für dich ist es Zeit für ein Nickerchen.«
    Gem glitt vom Stuhl, behielt jedoch die kleinen Hände über dem Gesicht, um den Mann nicht sehen zu müssen, der in der Unterwäsche in der Küche stand. Nachdem die beiden gegangen waren und sich die Schwingtür beruhigt hatte, schlenderte Ray zum nächstbesten Stuhl, nahm Platz und schlang einen Arm über die Rückenlehne.
    »Ist das eine tiefschürfende,

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