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Plage der Finsternis - Keohane, D: Plage der Finsternis

Titel: Plage der Finsternis - Keohane, D: Plage der Finsternis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel G. Keohane
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es. Warum konnte sie nicht nett zu ihm sein? Sie musste zugeben, dass er sich ihr gegenüber nur deshalb wie ein Spinner aufführte, weil sie ihn für gewöhnlich genauso behandelte.
    »Du bist so weise geworden, Gem«, meinte der Mann, der zwischen ihr und Eliot kauerte, so tief, dass seine Augen kaum über den Tisch ragten.
    ›Wunderschön‹ war das einzige Wort, das Gem einfiel, um ihn zu beschreiben. Langes blondes Haar wallte ihm dicht und leicht gewellt über die Schultern. Er wirkte kaum älter als sie und besaß glatte, gesunde Züge. Sein Körper war auf eine Art drahtig, aus der sprach: Ich trainiere, aber ich gebe damit nicht an . Seine blauen Augen leuchteten ihr entgegen. Halt mal , dachte sie plötzlich. Die Dinge waren so bizarr geworden, dass sie nicht im Geringsten verwundert darüber gewesen war, als dieser Adonis einfach so neben ihr auftauchte.
    Wenigstens hatte er keine Klauen.
    »Und wer bist du ?«, fragte sie und versuchte, sich beiläufig anzuhören.
    »Eliot«, antwortete Eliot und lachte.
    »Ein Freund«, sagte der Neuankömmling. Er nickte über ihren Schoß hinweg. »Dein Dad wirkt bedrückt.«
    Gem schaute zu ihrem Vater zurück und schwenkte eine Hand in seine Richtung. Die unsichtbare Schulter versperrte ihr nicht mehr den Weg. Höchstwahrscheinlich kauerte der Körper, zu dem sie gehörte, mittlerweile auf der anderen Seite ihres Stuhls. Ein überaus muskulöser Körper unter einem weißen Polohemd. »Das ist nicht mein Dad. Ihr versucht bloß, mich glauben zu lassen, er sei diese verirrte Seele, die sich vor der Welt versteckt. Im wahren Leben ist er nicht so. Wenn er von oben runterkommt, ist er glücklich. Dann nimmt er sogar zur Kenntnis, dass ich existiere – jedenfalls mehr, als es die Eiskönigin da drüben tut.«
    Ihre Mutter ließ die Gabel herabsausen. Der Teller brach mitten entzwei. Etwas mit viel zu vielen Beinen huschte unter einer großen Schüssel mit verseuchtem Kartoffelbrei in der Mitte des Tisches in Deckung. »Entschuldige mal, junge Dame! Wie kannst du es wagen, so mit mir zu reden?«
    »Ich rede mit Mr. Hübsch hier drüben«, gab Gem mit einem wachsenden Gefühl der Befreiung zurück. Wenn die – wer immer die sein mochten – Spielchen treiben wollten, musste sie sich nicht an die Regeln halten.
    Der hübsche Junge runzelte die Stirn. »So solltest du nicht mit deiner Mutter reden. Du sollst Mutter und Vater ehren.«
    Gem lächelte, streckte die Hand aus und legte sie zärtlich auf die Wange des jungen Mannes. »Ja, ich weiß. Diesen Teil habe ich tatsächlich gelesen.«
    Mittlerweile hatte Eliot das Kinn auf eine Faust gestützt und beobachtete sie, während er kaute. Sein Kopf bewegte sich mit dem Kiefer auf und ab. »Du bist verrückt«, befand er. »Weißt du das? Hast du jetzt einen imaginären Freund?«
    Gems Groll schmolz, als ihr einfiel, was ihr Bruder kaute. Sahen die anderen denn nicht, wie verrottet alles war?
    »Nein, Gem«, sagte der Junge neben ihr und legte eine Hand auf die Rückenlehne ihres Stuhls. »Sie sehen es nicht. Und du kannst nicht einfach auf sie deuten und sagen, ihr Essen sei verdorben. Sie würden es nicht verstehen. Sie würden dir nicht zuhören. Sie wollen die Argumentation dahinter nicht verstehen. Du musst das vorsichtig angehen. Zeig ihnen, wie verdorben das Essen ist.«
    Sie sah ihre Mutter an, aus deren Augen ihr Gift entgegensprühte. Gem spürte, wie ihr Gehirn schmolz, als Deanna die Gabel in den Mund steckte und die Lippen zusammenkniff. Ohne den Blick von ihrer Tochter zu lösen, zog sie die Gabel wieder heraus. Gems Vater schluchzte erneut. Es reichte. Gem war frustriert darüber, wie klischeehaft ihre Familie dargestellt wurde.
    »Das ist nicht deine Familie, Gem. Nicht so, wie du sie sonst siehst. Äußerlich sind sie so normal, wie du sie in Erinnerung hast, wenngleich manchmal ein wenig distanziert und exzentrisch. So wie hier«, er streckte den Hals und musterte die am Tisch sitzenden Personen, »hier könnte man physisch darstellen, wie sie ... innerlich sind.«
    Gem überlegte eine Weile. »Du meinst, ihre Seelen oder so?«
    Eliot wirkte nervös. »Okay, Gem, das reicht. Würdest du jetzt bitte aufhören?«
    Sie verspürte einen Anflug von Schuldgefühlen darüber, welche Angst sie ihm einjagte, aber wenn dies alles nicht real war ...
    »Eliot sieht normal aus«, stellte sie fest.
    Ihr Bruder knirschte mit den Zähnen und presste zwischen den Lippen hervor: »Gem ...«
    Der Junge nickte. »Stimmt, aber er

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