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Plan D

Plan D

Titel: Plan D Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simon Urban
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rührte.
    Die Tür wurde geöffnete, bevor Wegener klopfen konnte. Zwei Maskenmänner warteten, schlossen den weißen Raum von außen ab, eskortierten stumm wie zuvor, der Rückweg durch den Bau war exakt der Hinweg oder ein völlig anderer, Wegener dachte an Wolfgang Lippert, Wetten, dass ich mich im größten Geheimdienstknast der Welt nicht verlaufe , Wetteinsatz das eigene Leben, wer verliert, bleibt hier.
    »Vielleicht solltest du seine Schwester informieren«, sagte Brendel, als sie schon eine halbe Stunde im Barkas saßen, stumm wie die Fische von Badenhoop , ins Leere starrend, unterwegs nach Berlin, zurück in ein Grau, das bunt wurde, wenn man dieses unterirdische Staatssicherheitsland kannte. »Damit sie wenigstens nicht hofft, dass er zurückkommt.«
    Wegener schüttelte den Kopf. »Das wird schwierig.«
    »Warum wird das schwierig?«
    »Weil Toralf Einzelkind ist.«

25
    W egener sah auf die Armbanduhr. Fast zwei Stunden waren vergangen. Sie hatten sich vom Barkas direkt in die Greifenhagener Straße fahren lassen, das Polizeisiegel an Hoffmanns Wohnungstür aufgebrochen, Frank Stein angerufen und ein weiteres Mal alles durchsucht, nicht nach DNA-Spuren, sondern nach etwas Trinkbarem, bis Brendel zwei Flaschen Claque Pepin Calvados Jahrgang 1980 entdeckte, drei Gläser aus der Küche holte und zum Umtrunk in die watteweiche Sofalandschaft des Salons einlud.
    Stumm und gedankenverloren hatten Wegener, Brendel, Stein die erste Flasche geleert, Glas für Glas, mit Blick in den dämmernden Berliner Großstadthimmel, auf den Fernsehturm, auf den stoischen Lichterdom des Palastes. Blassblau war zu gelblichem Rosa und dann zu Dunkelblau geworden, Brendel hatte die zweite Flasche geköpft, Kerzen angezündet, die Füße auf den Couchtisch gelegt. Diese Stasistille nimmt dir für Stunden die Stimme, dachte Wegener, sie bleibt an dir kleben wie das Fett an den Fassaden, erzeugt das Bedürfnis, nur noch zu schweigen, weil reden ohnehin niemandem nützt, vollkommen sinnlos ist, drinnen wie draußen, die Verhältnisse sind zementiert, sie sind unumkehrbar, sie sind weder mit Worten noch mit Gedanken zu erfassen, keiner unternimmt auch nur den Versuch, alle verstummen.
    »Wir kommen nicht drauf«, sagte Brendel irgendwann mit calvadosgetränkter Stimme.
    Schau an, dachte Wegener, der resignierte Superermittler, selbst dem hat die Stasihölle jetzt endgültig die Luft rausgelassen, natürlich kommt keiner drauf, seit zwei Stunden beschäftigen wir uns mit nichts anderem und versuchen nebenbei, nicht zu sehr an Toralf zu denken, den lebendig Begrabenen, nur das Rätsel zählt, die verdammte Hausaufgabe, für die jetzt noch weniger als achtundvierzig Stunden blieben.
    »Vielleicht hat er dich damals angelogen«, sagte Brendel.
    »Hat er nicht.« Wegener nippte an seinem Glas. »Musste er nicht. Es gibt nicht nur keine Schwester, sondern auch kein erstes Informantengespräch am 27 . Oktober um 1 9 Uhr im ›Jelzin‹. Wir haben uns, wie gesagt, im Apri l 2000 zum ersten Mal getroffen, an irgendeinem Frühlingstag, vormittags, auf dem Gendarmenmarkt.«
    »Also, noch mal, wir haben das Datum«, sagte Stein. »Übermorgen ist der siebenundzwanzigste Oktober. Was passiert übermorgen um 1 9 Uhr?«
    »Vielleicht der zweite Anschlag. Auf das ›Jelzin‹.« Brendel griff nach dem Calvados, goss sein Glas voll, setzte es an. Eine dunkle Trinkersilhouette vor der Lichterlandschaft der Berliner Skyline. »Aber das Datum des nächsten Anschlags kann er nach eigener Aussage nicht kennen. Es sei denn, sein eigenes Cluster würde den durchführen.«
    »Und sein Cluster gibt es nicht mehr«, sagte Wegener, »Gabriel auf der Flucht, Sascha im Himmel, Ronny im Paradies. Ich sehe auch keinen Grund, warum er uns das Datum eines weiteren Anschlags verraten sollte, selbst wenn er es wüsste. Er hat dir eine gute Heimreise gewünscht, Richard. Viel Glück und eine gute Heimreise .«
    »Weil er am liebsten mit in den Westen kommen würde. Seine Freundin lebt drüben. Ist doch seine Freundin, diese Julia.«
    »Zumindest war sie es. In glücklicheren Zeiten.«
    »Damals ist er nicht rüber, heute bereut er es. Julia lernt jetzt im Westen Männer kennen und hält ihn für tot.«
    »Womit sie ja nicht ganz falsch liegt.« Wegener betrachtete Brendel, der schon halb in Hoffmanns Wattecouch eingesackt war. Eine angetrunkene Comicfigur, gerade von der unvermeidlichen Dampfwalze plattgerollt, nur noch ein zweidimensionales Abziehbild, das willenlos an

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