Plan D
dranbleiben, wissen wir’s genau.«
»Ok. Und das war’s?«
»Zumindest bin ich allein auf dem VIP-Car-Walk angekommen.«
»Der VIP-Car-Walk.« Brendel lächelte. »Martin, kann es sein, dass ich deine Ex-Freundin heute Morgen beim Frühstück gesehen habe?«
Wegener ließ den Wartburg die Auffahrt herunterrollen und bog auf die rechte Spur in Richtung Honeckerallee ab.
»Möglich. Das Energieministerium sitzt drüben im Berolina-Haus.«
Brendel nickte. »Die Fotos in deiner Akte. Du weißt schon.«
Akt-Foto, dachte Wegener, komisch, aber ich höre Akt-Foto, ich sehe, wie sie für die Zorki-Digicameranskis der Gazprom-Böcke ihre rasierten Beine breit macht, diese Erfolgsnutte, die Mata Huri Berlins, die man vor sechs Jahren nicht mal durch den Personaleingang ins EastSide reingelassen hätte, und heute stolziert sie mit ihren Kostümchen durch den Laden und spielt Westdeutsche, wird zum Übernachten eingeladen, Frühstück inklusive, verhandelt Verträge, trifft Hoffmann, leugnet, ihn getroffen zu haben, feiert Abschlüsse mit Champagnergelagen und holt hinten fürs Vaterland raus, was sie sich vorne reinstecken ließ, schließlich sind ihre Qualifikationen international anerkannt, Rehaugen, Sommersprossen, feuerrote Haarmütze und ein Lachen, das jedem beschissenen Gas-Russen in Sekundenschnelle die gefrosteten Fabergé-Eier auftaut, ein Bunsenbrennerkichern, mit dem sie das mafiöse Sperma dieser Syndikats-Zuchtbullen zum Kochen bringt, alles für ein bisschen mehr Marge und Gewinnspanne, du opportunistische, geldgeile, gewissenlose Rubelmatratze, dachte Wegener und musste sich zwingen, nicht gegen das klapprige Lenkrad zu schlagen.
Brendel versuchte auf dem Minisitz seinen Mantel auszuziehen. »Du wunderst dich also nicht.«
»Irgendwann wundert man sich über gar nichts mehr.« Wegener stoppte an einer Ampel. Die Ampel sprang sofort auf Grün. Er trat durch, dass Christa Gerdes’ abgefahrene Reifen quietschten.
»Wer hat Schluss gemacht?«
»Sie hat Schluss gemacht.«
»Warum?«
Ein Verhör, dachte Wegener, und du Vollidiot lässt dich darauf ein. Weil es zu schön ist, sich auszuheulen, Priester, Arzt oder Bulle, Hauptsache, irgendwer hört zu. »Warum lügen Männer, Richard?«
»Im Sozialismus?«
»Egal wo.«
»Wegen einer anderen Frau«, stellte Brendel fest.
»Wegen einer anderen Frau«, bestätigte Wegener, schaltete in den vierten Gang und hatte plötzlich fast 8 0 Sachen drauf. Die schmalen, lang gezogenen Appartementmonster der Honeckerallee wuchsen links und rechts in die Höhe, Absperrgitter vor den Hauseingängen, alle fünfzig Meter orangene Warnschilder, Einsturzgefahr!, Spanplatten vor den Fenstern, lauter Sinnbilder meiner Karolinabeziehung, dachte Wegener, brüchige Ruinen, denen nicht mehr zu helfen ist, aber zusammenbrechen wollen sie auch nicht.
»Wenigstens eine schöne Frau?«
»Viel besser als eine schöne Frau: eine schöne Russin.«
»Polizistin?«
»Servierdüse. Im ›Molotow‹.«
Das Honecker-Denkmal kam näher, der eiserne Erich winkte mit seinem verunglückten Hitlergruß in Richtung Mitte, auf seiner Hornbrille saßen kugelrunde Tauben, hinter ihm das Jähn-Standbild, Sigmund zerrte an dem steilen Bronzeseil, ein panischer Tauzieher, der nichts mehr ausrichten konnte, sein Andreas trieb davon, Beine und Arme ausgestreckt, ein fliegendes X, das nie mehr Boden unter die Füße bekommen würde. Honecker drehte dem Vater-Sohn-Drama den Rücken zu, neben ihm wurden die ersten Appartementhäuser abgerissen, Bagger hatten sich von der Seite in die Fassaden gefressen und waren plötzlich satt gewesen, übrig blieb der Blick auf halbe Wohnzimmer und Schlafzimmer, morbide Puppenstuben, in denen noch Sessel, Stühle, Tische, Schränke ausharrten, Bilder an den Wänden hingen. In einem halbierten Bad balancierte eine rosafarbene Toilette mit aufgeklapptem Deckel an der Abrisskante.
»Und das kam raus?«
»Alles kommt irgendwann raus.«
»Möglich.«
»Nicht nur möglich, garantiert. Siehst du doch an Ronny Gruber. Selbst die fliegen auf. Und die haben wirklich Übung.«
»Gut, nehmen wir an, alles kommt raus.« Brendel warf seinen Mantel auf die Rückbank. »Dann bleibt die Frage, was bedeutet das? Verändert das Herausgekommene etwas? Oder lässt man es auf sich beruhen? Zieht man Konsequenzen oder reicht es, die Wahrheit zu kennen? Weil man ahnt, dass Konsequenzen alles nur noch schlimmer machen würden?«
»Karolina konnte es nicht auf sich beruhen lassen,
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