Plan D
die Wahrheit zu kennen.«
Brendel nickte. »So sieht sie auch aus.«
Du Idiot, dachte Wegener und ging vom Gas, du verdammter Blödmann Martin Wegener, der rattige Richard lügt dir hier karolinamäßig ins Gesicht und du Kolchosekamel glaubst ihm das auch noch, beim Frühstück gesehen! Beim Frühstück gesehen und vorher die ganze Nacht auf dem Zimmer! Und jetzt wird ein zufälliges Treffen erwähnt, beim nächsten Mal spricht er sie dann an, warum auch nicht, so lernt man sich offiziell kennen, so bereitet man die Offenbarung der Wahrheit vor, Enders-Brendel, klingt zwar beschissen, aber wer so gut aussieht, kann selbst den dämlichsten Doppelnamen verkraften. Die beiden vögelten also wirklich.
Jetzt drehst du durch, sagte die Früchtlstimme.
Turtelten und vögelten.
Turtelten und vögelten, äffte Früchtl nach, turtelten und vögelten!
Zwei diskrete, informelle Täubchen. Und du bist Martin der Gerupfte. Der Ausgenommene. Wie immer.
Mein Gott, Martin der Gerupfte, sagte Früchtl, krieg dich ein! Den Quatsch glaubst du dir doch nicht mal selber!
»Und was wäre deine Entscheidung?« Brendels Blauaugen bohrten wieder. »Wenn du derjenige wärst, der was rauskriegt?«
»Entscheidung wofür?«
»Für oder gegen Konsequenzen. Musst du nach dem handeln, was du weißt, oder kannst du die Dinge hinnehmen?«
Wegener schaltete in den dritten Gang runter und versuchte, normal zu klingen. »Ich handele nicht danach und ich nehme nicht hin. Ich merke es mir. Wenn du das als Konsequenz durchgehen lässt.«
Brendel nickte. Er zog sein neues Minsk aus der Hosentasche und wählte. »Christian, ich bin’s noch mal. Wer war das gerade?«
Wegener sah in den Rückspiegel: Phobosse und Ladas, die im Verkehrspulk mitschwammen, abbogen, Spuren wechselten, sich an die Tempobegrenzung hielten. Kein Wagen, der ihm bekannt vorkam. Karolina in seinem Kopf. Karolina nackt, über und unter anderen Kerlen. Andreas, dachte Wegener, Andreas Jähn, du armes All-Würstchen, du leidendes Leichtgewicht, Bruder im Geiste, ich war zwar nie da oben, dafür bin ich ganz unten, ich weiß genau, wie abgetrieben du dich gefühlt hast, wie verlassen du dir vorkamst auf deinem Weg zum Saturn, du Weltraummeister der Einsamkeit. Und jetzt sitzt Sigmund, der erste Fliegerkosmonaut der Deutschen Demokratischen Republik, allein in Strausberg und trauert um seinen einzigen Sohn, so wie ich um Major Hacksteak trauere, so radikal verschwinden Menschen nur bei uns, Andreas trudelt luftdicht verpackt durch die Unendlichkeit, Josef wurde vom Erdboden verschluckt, am Ende der gleiche Effekt: Man denkt manchmal, es hätte sie nie gegeben.
Brendel horchte ins Telefon. »Ok. Aber sei vorsichtig. Ich meld mich, wenn wir auf dem Rückweg sind. Mach ich. Tschüss.«
»Kayser?«
»Ja.« Brendel schob das Minsk in die Hosentasche. »Vor fünfzehn Minuten hat sich jemand bei ihm gemeldet, der offenbar lange bei Greentec war. Will sofort mit ihm reden, angeblich geht es um Belastungsmaterial.«
»Und?«
»Das ist schon komisch.«
»Warum?«
»Die haben auf seinem Hoteltelefon angerufen. Von extern, nicht über die Rezeption. Die Nummer hat aber niemand.«
Wegener bog in Richtung Ostseeautobahn ab. »Was denkst du?«
Brendel sah plötzlich ernst aus. »Dass wir nah dran sind.«
27
H allo.«
»Frau Schütz?«
»Ja.«
»Wir sind hier.«
»Wo genau?«
»Fünfzig Meter vor der Seebrücke.«
»Was heißt wir? Ich dachte, Sie kommen allein!«
»Ein Kollege von der Kriminalpolizei der Bundesrepublik begleitet mich.«
»Westdeutsche Polizei? Das ist doch Blödsinn.«
»Wir kooperieren in dieser Sache. Ausnahmsweise. Auf Wunsch des Bundeskanzleramts.«
Schweigen.
»Frau Schütz?«
Schweigen.
»Frau Schütz, der Kollege kann sich ausweisen.«
»Nur Sie beide.«
»Sonst ist keiner hier.«
»Die Staatssicherheit ist nicht informiert.«
»Niemand ist informiert. Und uns ist auch niemand gefolgt.«
»Ist Ihr Minsk sauber?«
»Weiß ich nicht. Deshalb rufe ich von einem Münztelefon an.«
»Von der Zelle am Brückenrondell?«
»Genau.«
»Warten Sie einen Moment.«
»Ok.«
Pause.
»Sie tragen einen braunen Mantel, der andere einen hellen?«
»So ist es.«
»Ich seh Sie.«
»Und jetzt?«
»Hauen Sie ab, wenn Sie mich verarschen wollen.«
»Ich sage die Wahrheit, Frau Schütz.«
»Das hat in diesem Land noch nie jemand getan.«
»Dann war es gerade das erste Mal.«
»Bevor ich mich so wundere, glaub ich’s lieber nicht.«
»Wo sollen wir
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