Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Plan D

Plan D

Titel: Plan D Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simon Urban
Vom Netzwerk:
Wollmantel dachten. Ossibulle.
    Brendel griff eine Aktentasche von der Rückbank. »Kennen Sie den Laden?«
    »Lieber nicht.«
    Brendel lächelte verschwörerisch, während Kayser dem Uniformierten ein paar Zettel unter die Nase hielt. Der Uniformierte nickte, sprach in einen Telefonhörer, nickte wieder. Ein Genickmechanismus, der aktiviert wird, wenn er mit BND-Leuten oder Vorgesetzten zu tun hat, dachte Wegener und betrachtete die Wand aus eckigen Betonwaben, die die Glasfront des Entrées zum Hof hin abschirmte und das Vordach stützte. Er versuchte sich Mielke vorzustellen, wie der damals unter dieses Dach chauffiert worden war, in einem schwarzen Volvo mit Chromleisten und rotem Leder. Es gelang ihm nicht. Zweiundzwanzig Jahre lag die Wiederbelebung jetzt schon zurück. Wegener staunte, als er sich das vorrechnete. Das Wiederbelebungs-Regime war längst selbst Geschichte geworden, sämtliche alten Machthaber bis zur Unkenntlichkeit verblasst, die beiden Erichs nur noch Pappfiguren, historische Hanswürste in einem antiken Gruselkabinett, die gezwungen gewesen waren, ihre angesägten Stühle für ebenbürtige Nachfolger zu räumen, und die sich trotzdem nicht grämen mussten, denn ihre Nachfolger würde es eines Tages genauso erwischen wie sie selbst, heimlich, still, leise, ostdeutsch.
    Ein zweiter Uniformierter erschien, um den ersten abzulösen. Der erste grüßte mit Hand an der Schirmmütze in Richtung Mercedes und stiefelte zum Haupteingang. Kayser folgte ihm, imitierte den militärischen Gang, drehte sich grinsend um.
    Als Wegener hinter Brendel das Foyer betrat, stieg seine Nase sofort in die Stasizeitmaschine: Staub, PVC, Scheuermittel, abgestandene Luft, Beamtenmief, Raumerfrischer, Akten. Ein Geruchsgrau, das noch in hundert Jahren durch diese Mauern wabern würde. Wegener erkannte die eckigen Säulen aus rotem Marmor wieder, die Galerie im ersten Stock, das Wappen mit Fahne und Bajonett, die Gummibäume, Marx’ Bartkopf samt Oberkörper, der aus einem Block Bronze ragte. Da steckte er nun, der Karl, nur noch ein Rumpf und trotzdem zu schwer zum Wegwerfen.
    »Wahnsinn«, sagte Kayser, »das glaubt mir in Pullach keine Sau.«
    Der Uniformierte sprach kurz mit dem Teigklumpen am Empfang, dann eilte er weiter. Kayser blieb direkt hinter ihm, drehte im Laufen eine verstolperte Pirouette, wollte sich keinen Gummibaum, keine Büste, kein Foto entgehen lassen. Geheimdiensttourismus, dachte Wegener und sah noch, dass der Empfangsklumpen jetzt ebenfalls telefonierte. In drei Minuten wusste das ganze Haus Bescheid.
    Eine dunkle Marmortreppe führte in den ersten Stock, dann in den zweiten, in den dritten, der Uniformierte und Brendel bewiesen Kondition, Kayser und Wegener keuchten. Durch die Fenster des Treppenhauses freier Blick auf noch mehr graue Plattenblöcke, verschachtelte Anbauten, schmale Brücken über Innenhöfe, dahinter endlose Flachdachlandschaft. Stasi Stadt.
    »Wahnsinn«, sagte Kayser.
    »Das glaubt dir in Pullach keine Sau«, sagte Brendel.
    Im vierten Stock bogen sie nach links in einen Gang, nach fünfzig Metern eine Schleuse, noch zwei Uniformierte, gründliche Ausweisprüfung, Aktentaschenkontrolle, Abtasten, ein ausgeschalteter Metalldetektor, wieder fünfzig Meter Flur, jetzt Teppich statt PVC, dann nach rechts, zahllose Türen, kein einziges Namensschild. Der Flur endete in einem großzügigen Vorzimmer mit zwei Schreibtischen, hinter denen bebrillte junge Männer saßen, die kaum von ihren Papieren zu unterscheiden waren, ringsum Aktenstapel und Nanotchev-Modelle, die Wegener noch nie gesehen hatte. In einer gepolsterten Wand eine gepolsterte Tür, der nächste Raum noch größer, Holzvertäfelung, Fahne, Schily-Bild, ein snookertischgroßes Siebziger-Jahre-Möbel, und dahinter, in einem schweren Ledersessel, die Besitzerin eines Friseursalons mit angeschlossenem Sonnenstudio.
    »Major Renate Wischinsky«, bellte der Uniformierte mit leerem Blick, schlug die Hacken zusammen, marschierte aus dem Zimmer.
    Die Polstertür fiel geräuschlos ins Schloss.
    Die Friseuse erhob sich. Ihr plattes Gesicht musste das Ergebnis einer Kooperation zwischen Steinmetz und Sattler sein. Gemeißelte Sehschlitze und Mundspalte, dürrer Nasenhöcker, hartes Kinnviereck, alles mit gegerbtem Ziegenleder überzogen und im Ton der Wandvertäfelung gefärbt. Auf dem Kopf ein Strauß blondiertes Haar, das bis zu den Schulter herabrankte.
    Wegener war baff.
    Kayser übernahm die Vorstellung. Wischinsky nickte die

Weitere Kostenlose Bücher