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Plan D

Plan D

Titel: Plan D Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simon Urban
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polizeihandbuchdicke Scheibe Hackbraten mit einer Haube aus dampfenden Spiegeleiern und wünschte gutes Gelingen.
    Wegener betrachtete den leeren Stuhl auf der anderen Seite des Tisches. Dann zerschnitt er das Eigelb.

Samstag, 22. Oktober 2011

11
    W ir werden beide immer grauer, die Normannenstraße und ich, dachte Wegener, wir verkommen langsam, aber stetig, wir halten uns aufrecht, egal, was passiert. Vor einem Jahr war ihm die Zentrale schon auf eine monströse Weise farbloser vorgekommen als jedes andere Gebäude Berlins, inzwischen hatten Witterung und Umweltverschmutzung das Stasihauptquartier Normannenstraß e 1 zu einem noch unwirklicheren Monolithen vergrößert. Klotzig und stur ragte der fußballfeldlange Kasten in den nieselnden Himmel, die beiden Seitenflügel machten ihn zur Kaserne einer unsichtbaren Armee, zu einem mutierten Karzer, den ein unsterblicher Geheimdienstgrößenwahn immer weiter anschwellen ließ, bis der ganze Bezirk, das ganze Land zu seinem Hinterhof geworden war, jederzeit bequem zu beobachten aus zehntausend Fenstern, deren Holzrahmen vor sich hin gammelten und kleine nikotinfarbene Lack-Schuppen auf die Betonbrache vor dem Haupteingang streuten. Wie ein Schwamm hatte der grobe Fassadenputz jahrzehntelang alles in sich hineingefressen, den Dreck der Trabantmotoren, den Ruß der Braunkohleöfen, das Fett der Phobos-Abgase, hatte sich einen schmierigen Mantel übergezogen, die Tarnkleidung Ostberlins, um die niemand herumkam, die auch von sämtlichen hauptamtlichen Mitarbeiter getragen wurde, undefinierbar, stumpf, nichtssagend, stasifarben , dachte Wegener.
    Der Uniformierte in dem Miniatur-Wachhäuschen sah alle zehn Sekunden zu ihm herüber, starrte wieder nach vorn, schaute zu ihm, starrte nach vorn, ausdruckslos und unschlüssig, ob er sein lächerliches Puppenhaus bei diesem Geniesel verlassen sollte, um Autorität zu spielen und den Heini, der seit zehn Minuten im Hof herumlungerte, vorschriftsmäßig anzublöken: Papiere! Besuchervisum! Terminschein!
    Vor einem Jahr hatte es auch geregnet, erinnerte sich Wegener. Ein kurzes Gespräch in einem fast leeren Zimmer, drei Stühle, ein Tisch, eine Lampe, sonst nichts, zwei Männer, einer redete, der andere schwieg. Vor ihm die Akte MW-B-1101-IV/2010 (Vpb), die penibler geführt war als das Tagebuch einer verliebten Vierzehnjährigen, die Stasi ist mein Eckermann , das war ihm mittendrin eingefallen und er musste sich zusammenreißen, um nicht die passende Melodie zu summen. Abends hatte er die alte Platte rausgekramt und laut mitgebrüllt und sich mit Curaçao besoffen.
    Vielleicht nieselte es in der Normannenstraße ja das ganze Jahr. Aus einer Wolke voller Wut und Trauer über das, was man zu hören bekam, wenn man seine Landsleute verwanzte. Der Lauscher an der Wand, sagte Wegener halblaut zu sich selbst und drehte den neuen Schirm am Griff um die eigene Achse, dass der Regen spritzte. Plötzlich musste er an Karolina denken. Vielleicht, weil die sich immer über seine Schirmlosigkeit lustig gemacht hatte. Er holte das Minsk aus der Manteltasche und steckte es wieder ein. Eine Minute später holte er es wieder raus und wählte. Sie sprechen mit dem Ministerium für Energieexport und Transitwirtschaft der Deutschen Demokratischen Republik , sagte eine klebrige Frauenstimme, und Wegener dachte: Ich spreche doch gar nicht, du sprichst doch die ganze Zeit, Retortenkind, Abteilungen eins bis vier und sieben sowie Unterabteilungen A bis H , Anschluss , dann kam eine Pause. Karolina Enders , sagte Karolinas Stimme nicht halb so freundlich wie die Klebrige, noch eine Pause, ein lang gezogener Piepton. Wegener drückte die Verbindung weg.
    Als die S-Klasse ein paar Minuten später vorfuhr, hatte es aufgehört zu regnen. Auf den Betonplatten des Innenhofs spiegelten flache Pfützen helle Himmelflecken. Wegener klappte den Schirm zusammen. Der Puppenhausbewohner blätterte hastig auf seinem Klemmbrett, suchte die Ankündigung irgendeiner West-Minister-Visite, die er verpennt hatte.
    »Kann man hier parken?« Brendel war schon halb ausgestiegen, schwarzer Anzug, weißes Hemd, rote Krawatte. »Guten Morgen erst mal.«
    »Platz genug ist ja da«, sagte Wegener. »Morgen.«
    Kayser kletterte ächzend vom Beifahrersitz, grüßte kurz mit erhobener Hand und legte den Kopf in den Nacken. »Hübsche Wandfarbe.«
    Ebenfalls Anzug, ebenfalls Krawatte, stellte Wegener fest und fragte sich, was die Herren Kollegen über seine Cordhose und den

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