Plan D
mit Charme und Bonbonparfum einzuwickeln. Der Meffert mit einem Lächeln die Kopien sämtlicher Dienstpläne und Personalunterlagen aus dem Kreuz geleiert hatte. Der im Lauf dieser Ermittlung niemals unfreundlich werden würde, zu niemandem, und wenn sie ihm im Prenzlberg den Mercedesstern abbrächen. Der sich nicht anmerken ließ, was er von diesem verfaulenden Land, dem Wandlitzer Bonzenpark, den alten Hosen seines Ostberliner Kollegen hielt. Wegener stellte fest, dass man Richard Brendel anhimmeln musste, wenn man Martin Wegener hieß. Etwas anderes als pure Bewunderung war gar nicht möglich angesichts eines solchen Höhenunterschieds. Brendel verbuchte Dienstgrad, Westherkunft, Statur, Bonbonparfüm und ein schmal geschnittenes Filmschauspielergesicht inklusive blauer Augen auf seinem Siegerkonto. Und als Bonus einen Dienstwagen, nach dem sich ganz Ostberlin umdrehte. Nicht mitgerechnet all das, was sich noch hinter diesem Schönling verbarg. Sicherlich kochte der Mann perfekt italienisch. War mit einer brünetten Galeristin verheiratet. Und musikalisch. Spielte Klavier. Oder wenigstens Volleyball.
Und dann Wegener: Ostler, einen Kopf kleiner, weniger Haare, weniger Karriere, ein kaputter Wartburg Aktivist, kein Klavier, keine Eltern, keinen Früchtl und keine Frau. Dafür Cordhosen. Wenn es Karolina noch gäbe, dachte Wegener. Wenn die Karolinaschönheit auf mich warten würde, vor der Präsidiumstür, was sie noch nie gemacht hat, aber wenn sie es ab jetzt täte, in den Klamotten dieses Currywurstbudenabends, dann wäre es egal, dass mein Leben mittlerweile hauptsächlich aus weniger und kein besteht. Karolina würde Brendels Besitztümer aufwiegen. Eine schöne Frau war schon immer der Joker gewesen, der alles andere stach. An der Seite einer schönen Frau wurde spärliches Haar zur intellektuellen Frisur, mangelnde Karriere zur Unangepasstheit, das fehlende Auto zum Umweltbewusstsein, die ostdeutsche Cordhose Kult. An der Seite von Karolina wäre Brendels Glück eine klischierte Kulisse. Ein bösartiger Bumerang. Plötzlich würden alle Erfolge und Statussymbole nur noch deutlicher machen, dass Brendel keine Karolina besaß. So wie ich selbst keine Karolina besitze, dachte Wegener, was vielleicht weniger furchtbar wäre, wenn es nicht eine Zeit gegeben hätte, in der ich eine Karolina besaß. Dass ich Karolina mal gehabt habe und jetzt nicht mehr habe, das ist, als würde man den allerletzten Menschen der Welt mit den allerletzten Alkoholreserven der Welt süchtig machen.
Das Minsk klingelte.
Telepathie. Brendel oder Karolina. Oder beide. Eine Konferenzschaltung zum Thema Haarausfall und Minderwertigkeitskomplexe.
Wegener zog das Telefon aus der Hosentasche.
»Frank?«
»Diese Unterlagengebirgskette!« Stein klang weinerlich. »Dieser Dokumentenozean! Ich lese noch Hoffmanns Essays und Stromrechnungen, wenn der Sozialismus in den Kommunismus übergeht!«
»Dann ist es wirklich viel.«
»Man wird ein halber Politikwissenschaftler. Wenn ich das richtig verstehe, predigt Hoffmann eine Mischform aus DDR und Bundesrepublik. Verrückt, oder? Das Beste aus zwei Welten, eine Mischform von West und Ost, sozusagen. Und das nennt er den, wart e – den: Poster i … scheiß e ….«
»Den was?«
»Po-steri-ta-tismus.«
»Ich war Nazi, dann war ich Kommunist«, sagte Wegener.
»Was warst du?«
»Hilft uns der Krempel weiter?« Wegener trank einen Schluck Bier.
»Dieser Posterischeiß? Man weiß es nicht. Aber einer der Aktenordner hier vielleicht.« Papier raschelte. »Hab ich heute Morgen gefunden, Kopien eines Grundbucheintrags. Hoffmann besitzt zwei Mehrfamilienhäuser in Heidelberg, die er vermietet. Daher der Wohlstand. Außerdem hat er offenbar eine Datsche in Mecklenburg.«
Wegener trank noch einen Schluck und ließ seinen Blick über den Friedhof wandern. Die Dämmerung hatte inzwischen sämtliche Farben verschluckt. Nur zwei Reihen roter Grablichter leuchteten an beiden Seiten des Hauptwegs. Eine zu klein geratene Startbahn, dachte Wegener, für ausreisende Seelen. Das Grab seiner Eltern war dunkel.
»Martin?«
»Da müssen wir dann wohl mal hin, zu dieser Datsche. Und in Sachen Hoffmann-ist-Fischer irgendwas?«
Frankensteins Tonfall wurde eine Spur fröhlicher. »Keine Zeile, nichts. Bis auf den Ausweis, den ihr schon habt.«
»Hat Brendel noch mit dir geredet?«
»Der hat uns die Wandlitz-Infos reingegeben. War wohl auch nicht so berühmt.«
»Dieser Dr . Wanser«, sagte Wegener, »wäre
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