Plan D
Geistesprekariat seine spezialisierten Zellen abnutzt, desto schneller kommt der für alle gleichermaßen erlösende Tod, rafft euch dahin, verwandelt euch in ein Häufchen Biomasse, aus dem wir mehr Wärme gewinnen, als ihr euren Mitmenschen zu Lebzeiten gegeben habt. Nicht aus Mitleid kämpfen wir für die armen Seelen, so wie die noch ärmeren Abergläubischen es tun, sondern weil die Dummheit der Dummen uns betrifft! Weil diese Dummheit ein Loch in unser deutsches Boot bohrt und uns alle runterzieht in den tiefen Schlund viehischer, vergeblicher, nichtswürdiger Existenz. Weil sie die Gesellschaft, in der wir leben möchten, unmöglich macht. Denn diese Gesellschaft gibt es nur ganz oder gar nicht, es gibt sie nur mit der Beteiligung jedes Einzelne n – oder sie ist zum Scheitern verurteilt.
Deshalb mischen wir uns ein. Deshalb erlauben wir uns ein wertendes Urteil über das Leben unserer Mitbürger, deshalb fordern wir sie zu Verhaltensänderungen auf, deshalb müssen wir Konsequenzen ziehen, wenn man unser Projekt sabotieren will. Der Kapitalismus in Westdeutschland hat Hunderttausende, Millionen solcher Homunculi hervorgebracht, ihre Priester heißen Oliver Geissen und Andy Borg, ihre Heiligen Tommy Hilfiger und Steve Jobs, ihr Leben ist ohne Not und deshalb ohne Mitmenschlichkeit, sie kämpfen nur für sich und ihre spießigen Pfründe, sie haben noch nie etwas für einen anderen getan, sie waren noch keine Sekunde ihres Lebens Humanist, sie wollen genießen und dabei seicht unterhalten werden, eine Hühnerkeule im Mund und eine Mätresse im Arm, die ihnen mit Pfauenfedern das Skrotum kitzelt, sie sind satte, müde Tiere, Schlaraffenland-Schlappschwänze, die die nächste Herrschaft des Faschismus jederzeit möglich machen würden, weil ihnen in ihrer kommoden Degeneriertheit das Leid der eigenen Geschichte so fremd geworden ist, wie sie dem Ursprung ihrer Rasse entfremdet wurden.
Und es gibt die Erwachten. Sie haben sich an den eigenen Haaren aus dem Schlamm der Entmenschlichung und der Verblödung gezogen, sie haben sich getraut, die Augen zu öffnen und anderen beim Augenöffnen behilflich zu sein. Sie haben einen schwäbischen Rollstuhlfahrer seine schwarzen Koffer packen lassen und ihn ins Altenheim abgeschoben, sie haben für die alte, neue, ehrenwerte Partei votiert und nach jahrelangen Anstrengungen mit Oskar Lafontaine schließlich einen Mann zum Bundeskanzler gemacht, der nicht, wie alle anderen, aus purem Machtwillen in dieses Amt strebte, keiner von den Eitlen, Selbstverliebten, die nur sich selbst reden hören wollen, im Fernsehen und auf Parteitagsbühnen, die ihre Köpfe überall plakatieren lassen, damit sie sich selbst in die Augen schauen können, wenn sie durchs Land fahren, weil sie ihre Augen für die schönsten der Republik halten, weil sie sich nicht sattsehen können am eigenen Konterfei. Oskar Lafontaine, meine Damen und Herren, ist Mensch geblieben. Und dieser Mensch hat die Westdeutschen wachgerüttelt.
Zuerst, indem er mit der Neuausrichtung der SPD ein Signal gegeben hat: Die etablierten Kräfte verändern hier nichts mehr!
Dann, indem er das Volk in seine Politik einband, Autobahnen und Flughäfen okkupierte, die Infrastruktur blockierte, die Massen mobilisierte, die Banken halbierte, das politische Proletariat elektrisierte, die Regierung drangsalierte, dazu zwang, umzudenken, der ausgedörrten Demokratie wieder Leben einzuhauche n – denn wir, die denkenden Arbeiter und diejenigen, die wie Arbeiter denken, sin d – zum Glüc k – immer noch in der Mehrheit, auch im Westen.
Wir haben Lafontaine von 2, 6 Prozent 2003 auf 18, 3 Prozent 2007 auf 33, 1 Prozent 2011 gebracht. Wir haben den ersten Schritt der Überwindung des Kapitalismus geschafft, aber, liebe Genossinnen und Genossen: nur den ersten Schritt. Der Weg zum Ziel ist unendlich weit, Filz in unseren Breitengraden härter als Stahl, die Umstellung eines festgebackenen Wirtschaftssystems langwierig, mit Rückschlägen verbunden, die unser ganzes Durchhaltevermögen herausfordern. Noch ist Lafontaine auf die Koalition mit der Karnevalsfigur Claudia Roth und ihren grünen Jungs angewiesen, die sämtliche grundlegenden Entscheidungen blockieren, die sich Gerechtigkeit ins Stammbuch schreiben, aber nicht Wort halten, wenn sie Tatsachen schaffen sollen. Unser Fortschritt ist fragil.
Und deshalb seid ihr so wichtig: Wir im Westen brauchen ein Land, zu dem wir aufschauen können. Lafontaine muss seinen Leuten ein Vorbild
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