Plan D
wo wir unsere staatlichen Goldreserven versteckt haben.«
»Das ist uns bereits bekannt. Sie treffen sich noch mit Borgs?«
Wegener nickte. »Hat Richard seine Frau verloren?«
»Ja. Aber mehr weiß ich auch nicht. Muss schon lange her sein.«
»Haben Sie eine Frau?«
Kayser sah nicht überrascht aus. »Ich hatte eine.«
»Und?«
»Funktionierte nicht. Hab sie umgetauscht gegen eine elektrische selbstreinigende Wandfotze mit Echthaar.«
»Ihr seid glückliche Leute, da drüben im Westen.«
Das Sandmännchen war auf einer Ostseebrücke gelandet, aus der Glaskuppel geklettert, sprang jetzt vom Brückengeländer ins Wasser. Für einen Moment war es weg, abgesoffen, keine Luft mehr in den Holzlungen, dann tauchte es wieder aus seinem Zellophanmeer auf und winkte fröhlich in die Kamera.
21
M erry Christmas«, sagte die dicke Polizeispinne Borgs, die sich in ein kleines Polstersesselchen gequetscht hatte, natürlich in der Ecke des Foyers, mit dem Hinterkopf zur Fensterfront, damit sie ihr komplettes Netz im Blick hatte. Irgendwann kann man als Kriminaler nicht mehr anders sitzen, dachte Wegener, ab irgendeinem Punkt hockt man immer mit dem Rücken zur Glaswand, muss immer der sein, der alle sieht und nicht gesehen wird, lebenslang auf Posten, und vor sich auf dem wackligen Couchtisch einen Teller mi t …
»Grünkohl!« Borgs löffelte sich eine Portion in den Mund und schmatzte, kaute, schluckte.
Wegener sah sich um. Das ganze Kino International war mit Tannenzweigen und Lichterketten dekoriert, zwischen den Türen zum großen Saal stand ein vier Meter hoher Weihnachtsbaum mit goldener Hammer-und-Zirkel-Spitze, an den Zweigen hingen überdimensionale Patronenhülsen. Vor dem Baum weißer Filzschnee, ein antiker Schlitten, umlagert von groben Stoffsäcken, aus denen bunte Geschenkpakete quollen. Gelangweilte Studenten in rot-weiß-gefleckten Tarnklamotten versuchten, Einschusslochaufkleber auf den schrägen Holzleisten der Wandverkleidung anzubringen.
» Red Revenge «, sagte Borgs. »Am 28. ist Premiere. 3 0 Millionen Ostmark Produktionskosten. Wir sind wieder wer, Martin.«
»Fragt sich nur, wer.«
Wegener zog ein zweites Sesselchen zum Fenster und setzte sich. »Gehst du rein?«
Borgs’ dicke Hände rieben den Kugelbauch. »Ich finde, wenn eine gescheiterte Politikerin den Weihnachtsmann jagt, darf man sich das nicht entgehen lassen. Vor allem, wenn der Weihnachtsmann Peter Sodann heißt und zum Schluss mit einer rostigen Sichel aus Stalins Privatsammlung enthauptet wird. Im Neuen Deutschland schreiben sie allerdings, das s …«, der Zauberer Borgs präsentierte eine bislang unsichtbare Zeitung, die offenbar zwischen seiner Hüfte und der Seitenlehne des Sesselchens gesteckt hatte, blätterte, hob den Zeigefinger, »dass Sahra Wagenknecht-Ruprecht das cocacolafarbene Symbol des Kapitalismus durch ein orgiastisches Kalaschnikowkonzert in den Wahnsinn treibt, obwohl sie Selbiges sicher auch ohne jede Waffengewalt, nur unter Zuhilfenahme ihres gnadenlosen Mimentalents erreicht hätte, das es an Hölzernheit mit jedem Rentierschlitten aufnehmen kann. Und da denkt man immer, Politiker sind Schauspieler!«
»Sind sie ja auch, aber schlechte.« Wegener hatte die Aktionskarte aufgeschlagen: Stollen, Gänsekeule, Bockwürstchen, Kartoffelsalat, Zimtsterne, Schlesische Weißwürste mit Lebkuchentunke.
»Zwei Glühwein!«, verkündete Borgs einer jungen, mausgesichtigen Bedienung, die sich gerade hinter ihm vorbeiquetschte. Das Mädchen drehte sich um, nickte gehetzt, huschte in Richtung Tresen davon. »Irgendwie tut er mir leid, der Weihnachtsmann. Immer auf die Dicken. Ich bin ja so eine Art ziviles Ebenbild.«
»Aber du verteilst keine Geschenke.«
»Der Wink mit dem Fernsehturm«, stellte Borgs fest. »Sei vorsichtig, mein Lieber. Ich mach durchaus ab und zu Geschenke. Nur: die Beschenkten merken das nicht.«
»Mir ist klar, dass du während des Disziplinarverfahren s …«
Borgs senste den Satz mit einer schwungvollen Armbewegung ab. »Im Westen glauben sie an Gruber. Vielleicht, weil sie es wollen.«
»Wäre ja auch nett«, sagte Wegener. »Die Stasi entlastet, die Täter so gut wie ermittelt, die Konsultationen können stattfinden. Kayser ist skeptisch. Mit Brendel hab ich noch nicht gesprochen.«
»Und was denkst du?«
»Ich denke, wir müssen das ohnehin überprüfen. Und so lange alles offen ist, so lange können wir auch weitermachen wie gehabt.«
Borgs streckte sich behaglich in seinem
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