Planet America: Ein Ami erklärt sein Land (German Edition)
auch die kalifornische Pizza mit ihren ungewöhnlichen Belägen oder die »Shrimp Tostada« – ein Shrimpsalat auf einer gebackenen Tortilla.
Als ich Anfang der 1980er nach Deutschland kam, war ich meinerseits schockiert, dass meine Freunde noch nie »dim sum« oder »sashimi« probiert hatten. Zugegeben, in Hawaii fällt es einem Kind auch nicht leicht, zwischen Sushi und Hamburger zu wählen, aber es lernt früh, die richtigen Prioritäten zu setzen. Ende der Achtziger lud ich einen Freund in das damals einzige Chinarestaurant Krefelds ein, und der arme Kerl lehnte alles ab, was ihm vorgesetzt wurde: Das fremde Zeugs machte ihm Angst. Na ja, er hatte ja recht: Ein gutes Chinarestaurant ist hierzulande auch heute noch schwer zu finden, vor allem eines, in dem der Koch weiß, was »crispy gau chee« oder »cantonese sweet sour shrimp« sind. Einen guten Mexikaner, ein Deli oder Barbecue muss man auch ein Weilchen suchen.
Es gibt sie übrigens wirklich, die echte amerikanische Küche, aber kaum einer außerhalb Amerikas kennt sie – und ehrlich gesagt, die meisten Amerikaner auch nicht: Sie ist von Region zu Region und von Einwanderergruppe zu Einwanderergruppe einfach zu verschieden.
Philadelphia mit seinen starken deutschen Wurzeln ist die einzige amerikanische Stadt, in der man eine anständige Brezel bekommt, »soft pretzel« genannt. Hier kriegen Sie sogar noch saftiges »potato bread« (Kartoffelbrot), »hog maw« (Saumagen) und »cup cheese« (Kochkäse), und auch der »cole slaw« – die süße amerikanische Variante des deutschen Krautsalats – schmeckt am besten hier, weil er da natürlich »einwanderte«.
Sollte es Sie allerdings je in den Westen verschlagen, zum Beispiel nach Montana, dann kosten Sie ruhig die regionale Spezialität, die vermutlich ursprünglich aus Spanien stammt: »Rocky Mountain oysters« – auch als »prairie oysters« bekannt –, am besten frittiert, mit einer scharfen Soße. Machen Sie sich keine Sorgen, dass die Austern in den Bergen vielleicht nicht frisch sind – es handelt sich um Kalbshoden, und die sind in der Region immer frisch.
An der nordwestlichen Pazifikküste kriegen Sie das berühmte »beef jerky« – marinierte, geräucherte und getrocknete Fleischstreifen, zäher als Leder, nur viel würziger, für das man echt gute Reißzähne braucht. Dafür macht es süchtig. Der Begriff »jerky« kommt von dem Indianerwort »ch’arki«. Die Indianer des Nordwestens haben gerne Fleisch und Fisch geräuchert, und die europäischen Pelzhändler, die die Gegend jahrhundertelang unsicher machten, übernahmen zahlreiche ihrer Speisen. Man muss sich nur merken, was der Hauptunterschied zwischen »jerky« und dem ebenfalls beliebten »smoked salmon« ist: Letzteres kriegt man in jedem Restaurant, »jerky« dagegen nur am Feinschmecker-Hot Spot: der Tankstelle.
Auch den Ahornsirup haben wir von den Indianern. Sie waren es, die den frühen Kolonisten beibrachten, wie man den Saft aus dem Ahornbaum gewinnt. Ohne diese nach gebrannten Mandeln schmeckende Krönung hätte der europäische Pfannkuchen bei uns womöglich nie so eingeschlagen. Heute gilt der Nordosten als Heimat des Pancake. Ein amerikanischer unterscheidet sich von einem deutschen Pfannkuchen in erster Linie durch die Menge, die gemeinhin auf einem Teller liegt. Sie werden in den USA gern zu hohen Türmen gestapelt – und sind zudem dicker und luftiger und obendrein mit Blaubeeren, Erdbeeren, Bananen, Käse, Äpfeln oder »chocolate chips« gefüllt. Oder werden, falls man den Magen und die Abenteuerlust eines Kindes oder Holzfällers hat, mit Eis, Obst und Schlagsahne obendrauf gegessen. Sollte es dazu auch noch »eggs and bacon« geben, nur keine Berührungsängste – der Schinkenspeck, der sich auf dem Teller mit ein wenig Ahornsirup mischt, schmeckt am besten: süß und salzig zugleich. Der Legende nach mochten auch die Indianer ihren Ahornsirup süß-pikant: Sie sollen sogar Hirschsteaks damit gewürzt haben.
In den 1970ern eroberte die mexikanische Küche auch die nördlichen Bundesstaaten der USA und, seitdem herrscht der Irrglaube vor, der Trend zu Tacos, Burritos und Enchiladas sei mit dem Fastfood gekommen. Im Südwesten aber ist mexikanisches Essen so alt wie … na ja, so alt wie der Südwesten selbst. Seit dem frühen 18. Jahrhundert gehört es zu Texas, Arizona und New Mexico wie der Kaktus und der Cowboyhut. Die ewigen Bohnen zum Beispiel, die Cowboys in Hollywood-Filmen ständig vorgesetzt
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