Planet America: Ein Ami erklärt sein Land (German Edition)
Salat und sogar als Brot: Maisbrot ist halb Brot, halb Kuchen, ganz gelb, und schmeckt mit Butter oder Marmelade oder frisch aus dem Ofen auch ohne alles; auf dem Land gilt ein »corn dog«, ein Hot Dog in einer frittierten Maisteighülle, als rustikale Köstlichkeit; wir knabbern Mais »on the cob« – direkt vom gegrillten Kolben, mit ein wenig Butter und Salz. Und natürlich naschen wir Popcorn: zu Hause, im Kino, im Park, im Shopping Center.
Schon die alten Indianer in Mexiko um 3600 vor Christus aßen Popcorn, allerdings wohl als Teil einer religiösen Zeremonie. Sie lehrten uns seine Zubereitung recht früh, und wir entdeckten während der »Großen Depression«, dass man Mais leicht anbauen und billig verkaufen kann. Andere Snacks waren teuer, aber Popcorn konnten sich noch viele leisten, also schwenkten große Teile der Landwirtschaft auf Mais um. Während des Zweiten Weltkrieges dann wurden Süßigkeiten wieder rar, und erneut knusperten die Amerikaner mehr Popcorn. Heute schmücken sich gleich sechs unserer Städte mit dem stolzen Titel »Popcorn Capital of the World«.
Popcorn ist eigentlich einer der gesündesten Snacks überhaupt – solange man es mit Hilfe von heißer Luft poppt und ohne Butter isst. Allerdings tun das die meisten Menschen eben nicht: Laut einer Untersuchung kann »Movie Popcorn« mehr Fett beinhalten als ein Frühstück aus Eiern und Bacon, ein Big Mac mit Pommes am Mittag und ein Steak zum Abendessen – zusammen. Vor allem in den riesigen Eimern, in denen Popcorn uns mittlerweile im Kino gereicht wird.
Sogar in flüssiger Form lieben wir Mais:
Amerikanischer Whiskey wird aus Roggen, Gerste und Weizen destilliert, doch die beliebteste Sorte ist aus Mais. Maisbasierten Whiskey verbinden wir mit einem kleinen Landkreis in Kentucky. Die Kunst, Whiskey zu destillieren, gelangte wahrscheinlich durch schottische Einwanderer dorthin, und schon damals nannte man die Region nicht mehr »Bourbon« nach dem französischen Landstrich, sondern bereits nostalgisch »Old Bourbon«. So wurden auch die Fässer gebrandmarkt, die die schottischen Wahlamerikaner über den Mississippi exportierten. (Streng genommen darf sich ein Whiskey nur dann »Bourbon« nennen, wenn er im Landkreis Bourbon in Kentucky hergestellt wurde, aber keiner hält sich dran. Auch »Tennessee Whiskey« wird mit Mais destilliert, also meinen die meisten Menschen mit der Bezeichnung »Bourbon« heute einfach »Whiskey aus Mais«.)
Als ich meine Mormonenkirche verließ und den Alkohol kennenlernte, war ich wild entschlossen, ein Snob zu werden, und zwar ein Whiskeysnob. Das bedeutet: Scotch-Trinker. In Europa behauptet auch der überzeugteste Biertrinker, der ein Glenlivet nicht von einem Gimlet unterscheiden kann, hoch und heilig, er trinke nur Single Malt Scotch. Das gehört sich so in Europa, und teilweise auch in Amerika. Ich arbeitete also an meinem Image. Doch irgendwann, als ich es geschafft hatte, dass meine Freunde von mir sagten: »Er trinkt nur Single Malt Scotch«, bemerkte ich etwas anderes: Wie anstrengend das ist.
Diese Europäer werfen sich ganz schön ins Zeug, um sich und anderen zu beweisen, wie viel Kultur sie haben. Scotch ist wie Haute Cuisine, eine Wagneroper oder eine Gerhard-Richter-Ausstellung: gut gemacht, aber auch anstrengend.
Bourbon dagegen ist wie die amerikanische Einstellung zum Essen, zur Kultur, zum Leben überhaupt: Wir strengen uns im Job genug an. Wenn wir nach Hause kommen, wollen wir uns entspannen und das Leben ein wenig genießen.
Mais – vor allem die Sorte, die wir von den Iroquois bekommen haben, »papoon« oder »sweet corn« – ist von allen Getreidesorten die süßeste, auch wenn man es nicht direkt merkt, süßer noch als Babykarotten. Mais macht Bourbon süßer als Scotch, so wie Weißbier süßer ist als Pils. Bourbon ist karamelliger und brennt weniger. Er geht weicher runter und hat einen großzügigen, warmen Kern, wie ein Cognac, aber mit dem robusten Herzen eines wahren Whiskeys. Ich mag Scotch immer noch, aber ich merke, dass ich Bourbon anders trinke. Körperlich anders. Ich lehne mich etwas weiter zurück, sitze etwas bequemer im Sessel, und das »Ahh«, das mir entfährt, dauert ein klein bisschen länger …
Mais ist die Basis. Mit Mais wachsen wir auf, er schmeckt nach Zuhause und nach dem gemeinsamen Abendessen. Lange bevor es Mars und Snickers gab, Coca Cola und »S’mores«, gab es den süßen Mais der Indianer – das hat uns einfach eine höhere
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