Planet America: Ein Ami erklärt sein Land (German Edition)
Toilettenpapier in der Wohnung haben.
Ich kenne doch meine Pappenheimer.
14
Wir essen alles!
» I hr Amerikaner mögt ja nur so zuckersüßes Zeugs«, bemerkte eine alte Freundin, als wir uns in einem Starbucks über den Weg liefen und die Rede dabei auf deutschen Kuchen gekommen war.
»Moment mal«, protestierte ich. »Du wirfst hier wieder mit Vorurteilen um dich, die du nicht beweisen kannst.« Ich erzählte ihr von der Warnung, die ich zu Hause zu hören bekam, bevor ich zum ersten Mal nach Deutschland aufbrach: »Halt dich fern von deutschen Bäckereien! Sie machen süchtig!« Es stimmt: Das ganze leckere Zeug, das man beim Bäcker hierzulande findet, von so genannten Amerikanern bis hin zur Schwarzwälder Kirschtorte, haben wir daheim nicht.
Meine Freundin hörte sich meine Ausführungen seelenruhig an, und als ich endlich fertig war, sagte sie: »Es gibt deutsche Austauschschülerinnen, die sich weigern, ihr Austauschjahr in den USA zu verbringen, aus Sorge um ihre Figur. Und hör auf, mit der Serviette rumzuwedeln, ich hab schon längst den Double Chocolate Butter Frosting Super Glaze Mega Muffin auf deinem Teller gesehen.«
Das ließ mir keine Ruhe. Der würde ich es zeigen! Auf der Suche nach einer Antwort auf die Frage, wer süßer isst, die Amerikaner oder die Deutschen, telefonierte ich überall herum, recherchierte im Internet, las Studien von Agrarinstitutionen. Zwecklos: Es gibt zwar Zahlen über die internationale Zuckerproduktion, aber keine zuverlässigen vergleichenden Studien über dessen Konsum. Also entschied ich mich für einen Selbstversuch: In der eigenen Küche würde ich herausfinden: Wie viel Zucker enthält der Teig eines gewöhnlichen Donuts und wie viel der Teig eines gewöhnlichen Berliner Krapfen?
Nach mehreren Tests mit verschiedenen Füllungen hatte ich die Antwort. Meiner Freundin habe ich sie aber nie mitgeteilt:
Der Donut war süßer.
Da fiel mir erst wieder auf, was wir Amerikaner alles für perverse Süßigkeiten lieben.
Wir grillen Marshmallows. Und nicht nur das, wir machen auch noch »S’mores« daraus: Wir füllen zwei Graham-Cracker mit einem Stück Schokolade und kleben alles mit dem gegrillten Marshmallow zusammen – und freuen uns, wenn es dann beim Draufbeißen seitwärts wieder rausspritzt. Wir krönen unsere heiße Schokolade und unseren Wackelpudding mit dem Zeugs, ja sogar auf unsere Süßkartoffeln kommen sie obendrauf. Wir streuen Minz-Marshmallows auf unseren grünen Salat, zumindest am St. Patrick’s Day, wir schmausen »Fluffernutter«-Sandwich mit Erdnussbutter und »Marshmallow-Spread«, und das Neueste ist »Fluffer-Nutella«: Wir ersetzen die »peanut butter« einfach durch Nutella.
Irgendwie haben wir nie gelernt, Schokolade zu produzieren, die schokoladig schmeckt, oder Obstkuchen mit Obstgeschmack, aber süß – das können wir.
Seitdem frage ich mich, woher es kommt, dass wir Amerikaner Zucker so sehr lieben.
Es kann eigentlich nur am einzig wahrhaft amerikanischen Nahrungsmittel überhaupt liegen – am Mais.
Wenn die Rede auf die Entstehung unseres wichtigsten amerikanischen Feiertags kommt – dem Erntedankfest »Thanksgiving« –, erzählen wir die Geschichte meistens so:
Die etwa 100 Pilger in Plymouth, Massachusetts, einer der ersten Kolonien, lebten zwar seit mehreren Jahren in einem Land, das vor Wild, Geflügel, Fisch und Meeresfrüchten praktisch überlief, trotzdem hungerten sie. So gut waren sie wohl auf das Leben als Kolonisten doch nicht vorbereitet gewesen, die Schlaumeier.
Dann stand der Winter von 1621 vor der Tür, und die Indianer von nebenan, die Wampanoag, hatten Mitleid. Sie brachten den unfähigen Gottesfürchtigen das Angeln bei und noch etwas: wie man Mais anbaut. Aus Dankbarkeit den Indianern gegenüber und dass sie überhaupt noch lebten, veranstalteten die Kolonisten ein Fest und luden die Wampanoag dazu ein. Das erste Thanksgiving spielte sich wohl tatsächlich in etwa so ab. Manch böse Zungen behaupten zwar, dass den Indianern, als sie ankamen, Essen vorgesetzt wurde, das wenige Tage zuvor auf mysteriöse Weise aus ihren eigenen Lagern verschwunden war, das ist aber nicht belegt.
Von all den Dingen, die die Amerikaner von den Indianern geliehen oder geschenkt bekamen oder gar klauten, war, abgesehen vom Land selbst, Mais das allerwichtigste.
Wir essen Mais als »grits« (eine Art Mais-Grießbrei) zum Frühstück; wir essen ihn als Suppe im cremigen »creamed corn«; wir essen ihn als Gemüse, im
Weitere Kostenlose Bücher