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Planet America: Ein Ami erklärt sein Land (German Edition)

Planet America: Ein Ami erklärt sein Land (German Edition)

Titel: Planet America: Ein Ami erklärt sein Land (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eric T. Hansen
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wollen. Das Erstaunliche: Bis zu 85 Prozent von ihnen entscheiden sich (manche sogar nach einer zweijährigen Exkursion in die Welt da draußen) für das einfache Leben in der Gemeinde.
    Amerika ist bekannt für seine zahlreichen abgefahrenen Utopie-Versuche, von marxistischen Kommunen bis hin zu Zurück-zur-Natur-Hippie-Fantasien, doch es gibt nur wenige Experimente, die mehr als ein paar Jahre fortbestehen. Die Amischen aber haben ihre Aussteiger-Träume nicht nur verwirklicht, sondern sie haben dies geschafft, ohne zu scheitern, ohne irgendeinem wahnsinnigen Messias zu verfallen und ohne von der Mainstream-Gesellschaft absorbiert zu werden. Mit anderen Worten: Sie haben mehr als 200 Jahre überlebt und sind immer noch in guter Verfassung. Das nenne ich die ultimative deutsche Parallelgesellschaft.
    Diese Deutschen mit ihren komischen Ideen kamen den Amerikanern zeitweise so fremd und eigenartig vor, dass ihr Verhalten sogar die erste amerikanische Anti-Immigranten-Partei mit hervorrief.
    Kurz vor dem Bürgerkrieg, Mitte des 19. Jahrhunderts, waren zwei Einwanderer-Gruppen besonders zahlreich und besonders unbeliebt: Iren und Deutsche. Die Deutschen waren entweder lutheranisch-protestantisch oder gar katholisch, was noch schlimmer war. Die Iren waren sowieso katholisch und arm dazu. Sei’s drum, es strömten jedenfalls immer mehr dieser verdammten Katholiken ins Land. Man suchte eine Erklärung dafür und fand auch eine: Ganz klar, der Papst wollte Amerika unterwandern und die Nation versklaven!
    Ein Prediger in Boston, der wohl die Konkurrenz durch die wachsenden katholischen Gemeinden fürchtete, beschrieb den Katholizismus als »Freund der Tyrannei und Feind des materiellen Wohlstandes«. Letzteres kam nicht von ungefähr: Der damalige Papst war reformistisch gesinnt und lebte zeitweise wie ein Bettler. Na ja, ein Bettler in einem der größten Paläste Europas zwar, aber immerhin. Hinzu kam, dass die starke Immigration wie immer Folgen nach sich zog: Die Kriminalitätsrate stieg an und die Sozialkosten auch – in manchen Städten auf das Drei- bis Siebenfache.
    1849 wurde in New York die geheime Gesellschaft »The Order of the Star Spangled Banner« gegründet. Ihr erklärtes Ziel war, die Katholiken politisch zu treffen. Es handelte sich um Katholiken-Hasser, um Iren- und Deutschen-Hasser – genau wie die Moslem-Hasser von heute. Um Mitglied zu werden, musste man in Amerika geboren, weiß und protestantisch sein.
    Diese und ähnliche Geheimgesellschaften hatten einen riesigen Zulauf. Sie sprachen sich ab und stimmten im Block für anti-katholische Kandidaten. Wahlen in Chicago und Boston und sogar für das Repräsentantenhaus von Massachusetts konnten sie so zu ihrem Vorteil beeinflussen. Ihre Kandidaten setzten Gesetze durch, nach denen man in Amerika geboren sein musste, um ein politisches Amt zu bekleiden. In Kentucky kam es während einer Gouverneurswahl zu Schlägereien, und 22 Menschen starben; in Maine wurde ein katholischer Priester geteert und gefedert, eine katholische Kirche niedergebrannt.
    Als die Gesellschaften noch geheim waren, hatten die Mitglieder ein Erkennungszeichen: Wenn einen jemand nach der Partei fragte, antwortete man: »I know nothing.« Fortan waren sie als die »Know Nothings« bekannt und wurden bald das nächste große Ding. Man konnte Know-Nothing-Bonbons, Know-Nothing-Tee, sogar Know-Nothing-Zahnstocher kaufen. Ein Schiff wurde auf den Namen »Know Nothing« getauft.
    Ihr Erfolg war schwindelerregend, und bald gründeten sie eine offizielle politische Partei: die »American Party«. Innerhalb kurzer Zeit wurden überall in Amerika politische Ämter von Mitgliedern der »American Party« besetzt, die man immer noch »Know Nothings« nannte.
    Den Deutschen und Iren war in diesen Jahren wohl ein wenig mulmig zumute. Doch es zeigte sich mal wieder: Die Amerikaner drehen zwar ab und zu gern mal durch, bleiben aber nicht lange durchgedreht. 1856, nach nur zwei Jahren, waren die »Know Nothings« wieder so gut wie verschwunden.
    Unkontrollierte Einwanderung war zwar ein buchstäblich aufregendes Thema, aber nicht die wirklich brennende Frage der Zeit. Die Gründer der »Know Nothings« hatten das wohl nicht verstanden. Die Väter einer anderen Partei, die gleichzeitig entstand, waren da mehr am Puls der Zeit. So kam es, dass die »Know Nothings« verschwanden und die Republikaner (damals eine eher fortschrittliche Partei, die nur ein paar Jahre zuvor unter anderem von Abraham

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