Planeten 03 - Venus
Fingerknöcheln bedienen musste. Die Steuerung reagierte viel exakter als an der Oberfläche. In dieser Höhe war die Luft etwa zehnmal so dicht wie auf der Erde in Meereshöhe, so dass die Betriebsart der Hecate irgendwo zwischen einem Unterseeboot und einem Flugzeug lag.
Das Schiff erzitterte und schüttelte sich beinahe wie ein Lebewesen, das in der glühend heißen Luft schwamm. Ich wurde mir bewusst, dass die sphärische Kapsel vorm Bug des Schiffs die Aerodynamik nicht unbedingt verbesserte. Das Fliegen wäre mir wesentlich leichter gefallen, wenn ich die Kapsel ausgeklinkt hätte, aber ich schüttelte im Helm den Kopf. Die sterblichen Überreste von Alex waren in der Kapsel, dessen war ich mir sicher. Wir werden das zusammen durchstehen, großer Bruder, sagte ich mir.
Wir werden zusammen leben oder sterben, Alex.
»Nein, nein, nein!«, schrie Fuchs plötzlich. »Geh in die Horizontale! Orientiere dich am künstlichen Horizont! Richte die Nase auf den Horizont aus!«
Das war leichter gesagt als getan. Die Luft war noch immer so dicht, dass die Sicht über größere Entfernungen verzerrt wurde. Und der Horizont war auch nicht flach: Er wölbte sich nach oben wie eine Schüssel, wie der Meniskus einer viskosen Flüssigkeit in einem schlanken Glas.
»Der Schiffskörper sorgt für Auftrieb, wenn du die richtige Fluglage beibehältst«, sagte Fuchs etwas ruhiger. »Und Geschwindigkeit«, fügte er hinzu. »Du musst auch die Geschwindigkeit beibehalten.«
Die Hecate flog mit hoher Geschwindigkeit und heftigen Vibrationen dahin, doch immerhin war sie nun in einer mehr oder weniger waagrechten Position.
Mir war schwindlig wegen der Hitze, und jede Faser des Körpers schmerzte.
»Fluglage und Geschwindigkeit bestimmen die Höhe«, sagte Fuchs, als ob er einen alten Lehrsatz aufsagte. »Du machst das gut, Van.«
»Danke«, nuschelte ich.
»Weiter so!«
»Ich befürchte ... dass ich bald ... das Bewusstsein verlieren werde«, stammelte ich.
»Du musst dich dagegen wehren!«, sagte er scharf. »Es gibt keine Alternative. Du musst bei Bewusstsein bleiben und das Schiff fliegen. Sonst wird es uns nicht gelingen, dich zu bergen.«
»Ich versuch’s.«
»Dann streng dich an! Bleib wach!«
»Es ist verdammt heiß ...«
»Nur noch ein paar Minuten«, sagte Fuchs lockend, fast flehend. »Nur noch ein paar Minuten.«
Ich blinzelte.
Weit am flimmernden Horizont sah ich einen dunklen Punkt sich bewegen.
Wir waren noch immer auf der Nachtseite der Venus, aber das Glühen vom Boden war so hell, dass ich einen Punkt vor dem Hintergrund der fahlen gelbgrauen Wolken auszumachen vermochte. Das musste die Lucifer sein.
Oder die Augen sind überanstrengt, sagte diese spöttische Stimme im Kopf. Oder sogar eine Halluzination.
Wieder ertönte Fuchs’ Stimme rauschend im Lautsprecher: »Ich sehe dich noch nicht, aber wir haben dich schon auf dem Radar. Behalte die momentane Geschwindigkeit und Lage bei, fall’ aber um zehn Grad nach links ab.«
»Zehn Grad?« Ich schaute auf die Steuerkonsole und blinzelte. Sie erschien verschwommen und schemenhaft.
»Geh in eine Linkskurve. Ich sage dir, wann es genug ist.«
Langsam und bedächtig fuhr ich mit den Fingerknöcheln übers Sensorfeld und richtete den Blick auf den dunklen Punkt am gekrümmten Horizont.
»Zu weit! So bleiben! Bleib auf diesem Kurs. Ich ändere unseren Kurs, um ihn mit deinem zu synchronisieren.«
Ich wollte nur noch schlafen. Zusammenbrechen. Sterben. Es kam nicht mehr darauf an.
Es war mir völlig egal. Doch dann erinnerte ich mich daran, weshalb ich hier war und was ich mir geschworen hatte. Na schön, sagte ich zu den Göttern, die mich vielleicht beobachteten, wenn ich schon sterben muss, dann werde ich mich aber nicht kampflos ergeben.
Genau in diesem Moment, als ob ein stummes Gebet erhört worden wäre, erstrahlte die Lucifer wie ein Christbaum. Lampen leuchteten überall am birnenförmigen Rumpf auf und blinkten wie ein Leuchtfeuer.
Welche Reserven auch immer ich noch an Adrenalin, Kampfgeist oder purem Trotz hatte, wurden freigesetzt. Ich spürte Schmerzen am ganzen Leib, fühlte mich so schwach wie ein Baby, im Anzug schwappte der Schweiß, und die Hitze raubte mir den Atem. Aber ich hielt die Augen offen, die Hände auf den glühend heißen Sensorfeldern und versuchte nach besten Kräften, die Geschwindigkeit und die Fluglage beizubehalten, die Fuchs verlangt hatte.
»Nun kommt der schwierigste Teil«, sagte er. Und ich wollte schier
Weitere Kostenlose Bücher