Planeten 03 - Venus
nachdem wir die oberste Wolkendecke durchstoßen hatten, wo sie uns dann in den Orbit bringen würden. Ich überprüfte die Werte im Flugprogramm des Computers. Wenn wir diese Raketen zu früh zündeten, würden wir nicht in eine Umlaufbahn um die Venus gehen, sondern eine lange ballistische Flugbahn einschlagen, die uns auf der anderen Seite des Planeten wieder in die Wolken führte. Im Orbit wartete ein nukleares Antriebsmodul, das uns für den Rückflug zur Erde mit Energie versorgen würde. Fuchs hatte es beim Abstieg in die Wolken der Venus in einer Parkbahn zurückgelassen.
Also musste ich vor allem der Versuchung widerstehen, die Raketen zu zünden.
Wurden sie zu früh gezündet, wären wir in der Venusatmosphäre gefangen, bis die Mikroben sich durch die Hülle gefressen hatten oder die Hitze uns den Garaus machte oder der Proviant ausging. Das Urteil hätte lebenslänglich in der Hölle gelautet. Aber es wäre nur eine kurze Haftzeit geworden.
Ich machte mir Sorgen wegen dieser Mikroben. Sie hatten Alex’ und mein Schiff zerstört. Obwohl Fuchs sich damit gebrüstet hatte, dass wegen des Overdesigns der Lucifer die Mikroben keinen größeren Schaden angerichtet hatten, fragte ich mich, wann die Belastungsgrenze des Schiffs erreicht war.
Welche zusätzlichen Sicherheitsmaßnahmen vermochte ich zu ergreifen? Die Hülle mit etwas beschichten, das die Mikroben verschmähten oder das ungenießbar für sie war? Ich hatte keine Ahnung, was ich da nehmen sollte, und selbst wenn ich es gewusst hätte, hätten wir in weniger als neunzig Minuten nicht viel auszurichten vermocht.
Welche Schäden hatte die Lucifer beim Abstieg schon davongetragen? Ich ging die Dateien des Kapitäns durch und dann die Wartungs- und Sicherheitsprogramme des Computers, ohne jedoch fündig zu werden. Entweder war Fuchs nicht dazu gekommen, eine Schadensfeststellung vorzunehmen, oder die Daten waren irgendwo anders gespeichert.
Ich wollte das Besatzungsmitglied am Kommunikationssystem fragen, aber er verstand kein Englisch. Ich rief das Übersetzungsprogramm auf und versuchte ihm begreiflich zu machen, was ich wissen wollte. Er starrte mich an und runzelte konzentriert die Stirn; dann widmete er sich wieder der Tastatur. Ein Datenstrom ergoss sich über den Hauptbildschirm. Vielleicht waren das die Daten, die ich suchte, vielleicht war es aber auch etwas ganz anderes. Das war aber egal, denn ich wusste sowieso nichts damit anzufangen.
Amarjagal kam wieder auf die Brücke, und ich erhob mich vom Kommandantensessel.
Mit dem Sprachprogramm fragte ich sie nach Daten über Schäden am Schiff.
»Wir haben eine Schadenfeststellung durchgeführt«, dolmetschte der Computer. »Die Integrität der Hülle wurde nicht beeinträchtigt.«
»Aber wie groß ist der Schaden?«, fragte ich. Dieser mühsame Prozess der Übertragung von einer Sprache in die andere war frustrierend. Die Zeit lief uns davon. Ich spielte mit dem Gedanken, Nodon auf die Brücke zu holen, damit er als Dolmetscher für mich fungierte.
»Zu gering, um die Hülle leckzuschlagen«, lautete die Antwort.
Die Frustration schlug in Ärger um. »Ist es möglich zu bestimmen, welche Schäden wir noch verkraften können, ehe die Hülle ein Leck bekommt?«
Amarjagal rätselte für eine halbe Ewigkeit darüber und sagte dann einfach: »Nein.«
Also drangen wir in diese mikrobenverseuchte, über fünfzehn Kilometer dicke Wolkendecke ein, ohne auch nur die geringste Ahnung zu haben, welche Schäden die Hülle beim ersten Durchgang davongetragen hatte beziehungsweise welche Schäden wir noch wegzustecken vermochten, ehe die Hülle aufplatzte.
Ich unterdrückte die Frustration und den Ärger und sagte zu Amarjagal – das heißt zum Computer: »Bereiten Sie das Schiff auf einen möglichst steilen Aufstieg vor.«
»Verstanden«, sagte sie.
Ich verließ wutentbrannt die Brücke. Wir begaben uns in Gefahr, ohne zu wissen, wie wir uns schützen sollten. Doch auf halbem Weg zur Krankenstation kam mir ein Gedanke: Welchen Unterschied machte das schon? Fast hätte ich laut gelacht angesichts der Erkenntnis. Wir mischten uns wieder unter die Mikroben, und es gibt nichts, was wir dagegen tun könnten. Wir mussten so schnell wie möglich durch und hoffen, dass wir mit heiler Haut davonkamen.
Vom Gefühl her war ich mit der Situation absolut unzufrieden. Doch im Kopf manifestierte sich ein gewisser Fatalismus: Es kommt, wie es kommt. Wenn man etwas nicht zu ändern vermag, muss man sich eben
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