Planeten 03 - Venus
uns beim Durchgang durch die Wolken zu schützen vermochten. Die Gedanken überschlugen sich im Kopf und blitzten wie Bilder eines Kaleidoskops auf.
Bahadur. Die Rettungskapsel. Die Raketentriebwerke. Die Beschleunigung, die Raketenschub produziert.
Intuitiv aktivierte ich das winzige Display in der Armlehne des Sitzes und rief das Raketenantriebs-Programm auf. Wie groß waren unsre Raketenbrennstoff-Reserven? Wäre es möglich, dass die Raketen uns durch die Wolken schössen und dass wir nach dem Auftauchen aus der Wolkendecke immer noch genügend Brennstoff hatten, um in eine Umlaufbahn zu kommen?
Ich sah, dass es nicht reichen würde. Die Toleranzen waren zu gering. Es wäre ein zu großes Risiko.
»Nähern uns der Tagseite«, meldete die Navigationstechnikerin in Englisch.
Amarjagal nickte stumm. Dann drehte sie sich zu mir um und sagte: »Wir werden es wieder mit den Super-Rotations-Winden zu tun bekommen.«
»Verstanden«, sagte ich, wobei ich die militärisch knappe Ausdrucksweise der Besatzung imitierte.
Ich richtete meine Aufmerksamkeit wieder aufs Display und rief optionale Trajektorien auf. Vielleicht ... nein, nichts. Alle Programme sahen ein Zünden der Raketen erst nach dem Verlassen der mikrobenverseuchten Wolkenschicht vor.
Intuitiv überprüfte ich die Spezifikationen der Raketentriebwerke. Sie liefen fünfmal länger als der kurze Stoß, den Fuchs programmiert hatte. Ich befahl dem Computer, mir eine Flugbahn mit minimalem Schub und maximaler Brenndauer zeigen. Als die Zahlen auf dem Monitor erschienen, fragte ich die Korrelation mit unsrer Aufstiegs-Trajektorie ab.
Ja! Wenn wir die Raketen beim Eintritt in die Wolken zündeten, würden sie uns in zwölf Minuten durch die Wolkendecke jagen und immer noch genug Schub haben, und uns in eine Umlaufbahn zu bringen. Gerade so.
Meiner Meinung nach war es weitaus vorteilhafter, in zwölf Minuten an den lauernden Mikroben vorbeizukommen, als zwölf Stunden in den Wolken zu verbringen.
»Amarjagal«, rief ich, »schauen Sie mal hier.« Und dann legte ich ihr die neue Flugbahn auf den Hauptbildschirm.
Sie betrachtete die Darstellung mit gerunzelter Stirn, hochgezogenen Brauen und heruntergezogenen Mundwinkeln. Aber sie vermochte sich einen Reim darauf zu machen – das sah ich deutlich. Nach einer Weile wandte sie sich an mich: »Wir hätten dann keine Reserven mehr für orbitale Manöver.«
»Oh«, sagte ich niedergeschlagen. Nachdem wir in den Orbit gegangen waren, mussten wir manövrierfähig sein, um zu den Raketentriebwerken zu gelangen, die uns zur Erde zurückbringen sollten.
Amarjagals Stirnrunzeln milderte sich. »Das Nuklearmodul hat Steuerdüsen.«
Ich schaute sie an und blinzelte. »Es wäre also möglich, sie ranzuholen?«
Sie nickte. »Wenn es sein muss.«
»Dann machen wir das doch!«, sagte ich.
»Das ist aber nicht die Flugbahn, die Ihr Vater geplant hat«, wandte sie ein.
»Ich weiß«, sagte ich. »Aber ich habe nun das Kommando.«
Für eine Weile sagte sie nichts und starrte mich nur mit diesen ausdruckslosen dunklen Augen an. Dann nickte sie und sagte die schönsten beiden Worte, die ich je vernommen hatte.
»Jawohl, Sir.«
Wir waren bereits in den Wolken, als sie die Änderungen an den Lenkungs- und Antriebsprogrammen abschloss. Ich glaubte förmlich zu hören, wie die Mikroben an der Hülle knabberten.
Amarjagal sprach in ihrer Muttersprache ins Mikrofon, und die monotone Computerstimme dröhnte durchs Schiff: ›VORBEREITUNG AUF ZWEI-GE-SCHUB IN EINER MINUTE.‹
Ich packte die Armlehnen des Sitzes und erwartete, beim Zünden der Raketen hineingepresst zu werden. Aber es war nicht annähernd so dramatisch, wie ich es mir vorgestellt hatte. Das Schiff bebte und zitterte unter der plötzlichen Beschleunigung,
doch außer dem gedämpften Brüllen der Raketen war die Zündung so etwas wie eine
Antiklimax.
Bis ich einen Blick auf den Bildschirm warf, der unsren Kurs abbildete. Wir segelten stetig durch die Wolken, und der Cursor schnürte durch den grauen Bereich wie ein Korken, der unter Wasser losgelassen wird und an die Oberfläche schnellt.
Ich grinste Amarjagal an, und sie lächelte tatsächlich zurück.
Schließlich zeigte der Cursor an, dass wir über den Wolken waren. Keine Alarmmeldung. Die Grafik der Flugbahn zeigte, dass wir direkt auf den Raketenträger zusteuerten. Wir hatten es durch die mikrobenverseuchten Wolken geschafft. Ich stieß einen Seufzer der Erleichterung aus.
»Ich möchte die
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