Planeten 03 - Venus
meinen Start von Tarawa gemacht hatte, gab es mit Fuchs nur ein kurzes Interview, das wegen der stundenlangen Verzögerung zwischen der Redaktion auf der Erde und Fuchs inmitten der Asteroiden zudem noch eine schlechte Übertragungsqualität hatte.
Ich brütete über diesem einen Interview und studierte das Gesicht meines Widersachers auf dem Wandbildschirm meiner Kabine – unter anderem zu dem Zweck, um mich vom bevorstehenden Weltraumspaziergang abzulenken. Fuchs war ein korpulenter Mann: Kaum größer als ich, aber mit einer Tonnenbrust und mächtigen Schultern unter dem marineblauen Jackett. Er hatte ein breites Gesicht mit Hängebacken und den Mund so verzogen, dass er ein spöttisches Grinsen im Gesicht zu haben schien. Die Augen waren klein und lagen so tief in den Höhlen, dass ich nicht einmal ihre Farbe zu bestimmen vermochte.
Die Eröffnungsfrage des Interviewers quittierte er mit einem Lächeln, das aber zur Fratze geriet, und erwiderte: »Ja, ich fliege zur Venus. Es scheint mir nur fair, dass ich dieses sehr großzügige Preisgeld von Martin Humphries in Empfang nehme – von dem Mann, der vor über dreißig Jahren mein Geschäft zerstört und mir die Frau weggenommen hat.«
Damit geriet er ins Kreuzverhör der Reporter. Ich fror das Bild ein und vertiefte mich in die Hypertext-Berichte.
Fuchs hatte einen eindrucksvollen Hintergrund. Er war in ärmlichen Verhältnissen aufgewachten, hatte aber im Asteroidengürtel als Prospektor ein beachtliches Vermögen gemacht. Dann hatte er eine eigene Asteroidenbergbau-Gesellschaft gegründet und war einer der Hauptakteure im Gürtel geworden, bis Humphries Space Systems seine Preise so stark unterboten hatte, dass Fuchs in den Bankrott getrieben wurde. HSS erwarb die Firma dann zu einem Bruchteil des tatsächlichen Werts. Mein Vater hatte selbst die Kontrolle übernommen und Fuchs aus der Firma entworfen, die dieser Mann gegründet und über zwei Jahrzehnte aufgebaut hatte.
Während Fuchs mittellos und vor hilfloser Wut schäumend im Asteroidengürtel zurückblieb, verließ seine Frau ihn und heiratete Martin Humphries. Sie wurde die vierte und letzte Frau meines Vaters.
Mir stockte der Atem, als die Erkenntnis mich überkam. Sie war meine Mutter! Die Mutter, die ich niemals kennen gelernt hatte. Die Mutter, die gestorben war, als ich zur Welt kam. Die Mutter, deren Drogenabhängigkeit ich meine chronische Anämie verdankte. Ich starrte ihr Bild auf dem Schirm an: Jung, mit dem flachsblonden Haar der eisigen Nordlande. Sie war sehr schön, und zugleich wirkte sie zart und zerbrechlich, wie eine Blume, die für einen Tag auf einem Gletscher erblüht und dann verwelkt.
Es gelang mir nur mit Mühe, ihr Bild zu löschen und mich wieder auf die Nachrichtendatei zu konzentrieren. Fuchs war in einem speziell modifizierten Schiff, das er Lucifer getauft hatte, zur Venus gestartet. Der lateinische Name für die Venus als der Morgenstern war Lucifer. Es war aber auch der Name, den der hebräische Prophet Jesajah als ein Synonym für Satan benutzte.
Lucifer. Und Fuchs. Nach einem Hochgeschwindigkeitsflug war er schon in der Umlaufbahn um die Venus und hatte eine ganze Woche Vorsprung vor mir. Während ich hier in der Eignerkabine saß und
Fuchs’ Visage betrachtete, die mich vom Wandbildschirm spöttisch angrinste, erinnerte ich mich daran, dass die Zeit gekommen war, auf die Hesperas überzuwechseln. Daran führte kein Weg vorbei. Ich wünschte mir, ich säße gemütlich zuhause, aber ich war mir nun bewusst, dass ich diese Mission durchführen und der Gefahr ins Auge blicken musste.
Doch die Gedanken schweiften wieder zu meiner Mutter ab. Ich hatte keine Ahnung gehabt, dass sie einmal Fuchs’ Frau gewesen war. Alex hatte mir gesagt, dass es nicht meine Schuld wäre und dass Frauen nicht im Kindbett starben, es sei denn, es traten unvorhergesehene Komplikationen auf. Es war Alex, der mir von ihrer Drogenabhängigkeit erzählt hatte; was meinen Vater betraf, so war sie makellos.
»Sie war die einzige Frau, die ich wirklich geliebt habe«, sagte er immer wieder. »Und du hast sie getötet, Kümmerling«, pflegte er dann kalt wie flüssiges Helium nachzulegen.
Es klopfte an die Tür, und ich schreckte auf. Bevor ich noch zu reagieren vermochte, öffnete Desiree Duchamp die Tür und schaute mich streng an.
»Kommen Sie nun oder nicht?«, fragte sie nachdrücklich.
Ich richtete mich zu voller Größe auf – nicht ganz auf Augenhöhe mit meinem Kapitän –
und
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