Planeten 05 - Saturn
junge Frau hier gern aufs Podium bitten, damit sie uns ihre Ansicht darlegen kann.«
Das Publikum applaudierte: lauwarm, aber es war immerhin Applaus. Eberly warf einen Blick auf Urbain und Timoschenko, die hinter ihm saßen. Urbain wirkte unsicher, beinahe verwirrt.
Timoschenko saß mit über der Brust verschränkten Armen da und hatte einen Ausdruck irgendwo zwischen Langeweile und Abscheu in seinem dunklen Gesicht.
»Kommen Sie herauf«, sagte Eberly. »Kommen Sie her und sagen Sie uns allen Ihre Meinung.«
Wunderly zögerte für einen Moment. Dann erklomm sie mit grimmigem Gesicht und entschlossen zusammengepressten Lippen die Stufen zur Plattform und ging ans Podium.
Während Eberly ein Mikrofon am Revers ihres Gewands befestigte, sagte sie ernst: »Sie können die Ringe nicht ausbeuten…«
Eberly brachte sie mit erhobenem Finger zum Schweigen.
»Einen Moment noch. Würden Sie uns bitte erst Ihren Namen nennen. Und Ihre Tätigkeit.«
Sie schluckte, ließ den Blick übers Publikum schweifen und sagte: »Dr. Nadia Wunderly. Ich gehöre zum Fachbereich Planeten Wissenschaften.«
»Eine Wissenschaftlerin.« Dachte ich mir schon, sagte Eberly sich. Nun habe ich die Gelegenheit, den Wählern zu zeigen, wie egozentrisch die Wissenschaftler sind, wie rechthaberisch sie sind und dass sie sich keinen Deut um den Rest von uns scheren.
»Das stimmt, ich bin eine Planetenwissenschaftlerin. Und Sie können die Ringe nicht abbauen. Sie würden sie zerstören. Ich weiß wohl, dass sie groß wirken, aber wenn Sie alle Ring-Partikel zusammennehmen, würden sie einen Eiskörper mit einem Durchmesser von nicht einmal hundert Kilometern bilden.«
»Möchten Sie sich an dieser Diskussion beteiligen, Dr. Urbain?«, wandte Eberly sich an Urbain.
Der Quebecer erhob sich von seinem Stuhl und ging zum Podium. Timoschenko saß mit noch immer über der Brust verschränkten Armen reglos da und schaute finster.
»Die Ringe sind fragil«, sagte Wunderly ernst. »Wenn man ihnen tonnenweise Partikel entzieht, werden sie vielleicht zerbrechen.«
»Dr. Urbain, stimmt das?«, fragte Eberly.
Urbains Gesicht verfinsterte sich für einen Moment. Dann zupfte er sich am Bart und erwiderte: »Ja, natürlich, wenn man den Ringen ständig Partikel entzieht, wird man sie irgendwann destabilisieren. Das ist offensichtlich.«
»Wie viele Tonnen Eispartikel können wir den Ringen denn entziehen, ohne sie zu destabilisieren.«
Urbain schaute auf Wunderly und zuckte unschlüssig die Achseln. »Das weiß niemand.«
»Ich könnte es ausrechnen«, sagte Wunderly.
»Wie viele Tonnen Eis enthalten die Ringe überhaupt?«, fragte Eberly.
»Etwas mehr als fünfmal-zehn-hoch-siebzehn-Tonnen«, sagte Wunderly, bevor Urbain zu antworten vermochte.
»Fünfmal…« Eberly setzte ein verwirrtes Gesicht auf. »Für mich hört sich das nach ziemlich viel an.«
»Das ist eine Fünf mit siebzehn Nullen«, sagte Urbain.
»Fünfhundert Billiarden Tonnen«, sagte Wunderly.
Eberly gab sich erstaunt. »Und da machen Sie sich Sorgen, wenn wir jährlich ein paar hundert Tonnen davon abzweigen?«
Spöttisches Gelächter wurde in der Menge laut.
»Aber wir wissen nicht, welche Auswirkungen das auf die Ringdynamik hätte«, sagte Wunderly fast flehentlich.
»Sie sprechen von ein paar hundert Tonnen pro Jahr, aber dabei wird es nicht bleiben«, fügte Urbain dezidiert hinzu.
»Ja, aber es sind doch fünfhundert Billiarden Tonnen vorhanden«, sagte Eberly.
»Und früher war ganz Kanada einmal mit Wald bedeckt«, sagte Urbain mit bebenden Nasenflügeln. »Wo sind die Bäume nun? Einst wimmelte es in den Weltmeeren von Fischen. Und nun stirbt selbst das Plankton aus. Einst waren die Dschungel Afrikas die Heimat der großen Menschenaffen. Und heute leben die einzigen noch existierenden Schimpansen und Gorillas in Zoos.«
Eberly wandte sich ans Publikum und sagte mit sonorer und autoritärer Stimme: »Nun seht ihr, weshalb es den Wissenschaftlern nicht erlaubt sein darf, dieses Habitat zu leiten. Ihnen liegen Menschenaffen mehr am Herzen als die Menschen selbst. Sie wollen uns fünfhundert Billiarden Tonnen Wassereis vorenthalten, wo schon ein winziger Bruchteil dieses Wassers uns alle reich machen würde.«
»Aber wir wissen noch nicht genug über die Ringe«, platzte Wunderly heraus. »Ab einem gewissen Punkt würde die Dynamik der Ringe vielleicht so beeinträchtigt, dass sie auf den Planeten stürzen!«
»Und was würde dann mit den lebendigen Organismen
Weitere Kostenlose Bücher