Planeten 05 - Saturn
funktioniert. Sei doch nicht so ein miesepetriger fregado. Außerdem hätte ich den Mann dort draußen doch nicht seinem Schicksal überlassen können.«
»Trotzdem hattest du kein Recht…«
»Lass gut sein, Fritz. Es ist vorbei, und dem wertvollen Anzug ist auch nichts passiert.« Dann sagte er an Holly gewandt: »Warte noch ein paar Minuten, Mädchen. Ich muss erst mal duschen und frische Klamotten anziehen.«
Er ging ins Bad am hinteren Ende der Werkstatt und pfiff dabei ‒ ziemlich falsch ‒ eine Melodie. Holly sah, dass die Techniker sich dem Anzug widmeten, die Systeme überprüften und sie der Reihe nach abschalteten.
Gaeta kam zurück ‒ er trug einen frischen Overall, und das nasse Haar war zurückgekämmt.
»Wo gehen wir essen?«, fragte er. »Ich bin schon am Verhungern.«
Fritz warf einen Blick auf die Armbanduhr. »Die Restaurants haben alle schon geschlossen. Wir werden in unseren Quartieren essen müssen.«
Holly hob die Tupperdose hoch. »Ich habe noch Chili, aber es muss erst wieder aufgewärmt werden.«
»Chili! Lecker!«, sagte Gaeta.
»Es reicht aber nicht für uns alle«, sagte Holly mit einem Blick auf Fritz und die anderen Techniker.
Gaeta fasste sie am Arm und ging mit ihr zur Tür des Labors.
»Aber für uns beide reicht es doch, oder? Diese Clowns sollen selbst sehen, wie sie zu ihrem Abendessen kommen.«
Holly ließ sich von ihm auf den Gang hinausführen, ohne sich noch einmal zu den anderen umzudrehen. Das werde ich Malcolm melden müssen!, sagte sie sich.
Charles Nicolas war ein rundlicher, kinnloser, kleiner Mann, der das Talent hatte, selbst in einem legeren Hemd und einer bequemen Hose korrekt gekleidet zu wirken. Als Leiter der Nachtschicht im Kommunikations-Büro hatte er Gaetas Heldentat fasziniert mitverfolgt.
Seine Assistentin, Elinor, war auch seine Frau. Sie war etwas größer als er, viel dünner und beherrschte die Kunst, in C&A-Klamotten wie ein Dior-Model zu wirken. Sie verbrachten jeden wachen Augenblick zusammen und schliefen natürlich auch im selben Bett. Wo Charles jedoch von Gaetas Leistung bei der Rettung des Astronauten schwärmte, war Elinor skeptischer.
»Vielleicht haben sie die ganze Sache auch inszeniert«, sagte sie in ihrer piepsigen und dennoch sexy Stimme zu ihrem Mann.
Charles spielte das Video erneut ab. »Inszeniert? Wie hätten sie das denn inszenieren sollen? Es war ein Unfall. Der Junge hätte dabei umkommen können.«
»Sie hätten es schon vor Wochen zu inszenieren vermocht.
Als PR-Maßnahme.«
»Es hat aber niemand zugeschaut außer uns und der EVA-Crew.«
»Aber sie haben alles auf einem Speicherchip, nicht wahr?
Sie werden es zu den Sendern auf der Erde übertragen.«
Charles schüttelte den Kopf. »Dazu brauchten sie eine Genehmigung. Sie werden Vyborg fragen müssen; er ist für die Pressemitteilungen zuständig.«
»Er wird es genehmigen«, sagte Elinor. »Sie müssen ihn nur fragen. Er liebt die Öffentlichkeit.«
»Professor Wilmot aber nicht.«
»Dann fragen sie Wilmot erst gar nicht. Sie wenden sich an Vyborg, und er wird es genehmigen und Wilmot einfach übergehen.«
»Meinst du?«
»Ich wette einen Fünfer mit dir«, erwiderte Elinor.
Charles sagte nichts. Elinor hatte wahrscheinlich Recht. Das hatte sie meistens. So auch in diesem Fall: Es erfolgte ein Anruf von jemandem namens von Helmholtz, der sich als Gaetas Cheftechniker identifizierte und um die Erlaubnis bat, das Video von der Rettung an die Erde und nach Selene zu übertragen. Charles leitete die Anfrage auf Vyborgs Privatleitung um. In weniger als zehn Minuten rief Vyborg zurück und erteilte die Erlaubnis.
»Du schuldest mir einen Fünfer«, sagte Elinor und grinste kess.
»Ich wette nicht«, sagte er.
»Das macht keinen Unterschied«, sagte sie. »Das ist ein moralischer Sieg für mich.«
Er versuchte, das Thema zu wechseln. »Hast du dich schon entschieden, wie wir unser Dorf nennen sollen?«
»Jedenfalls nicht Dorf C«, sagte sie.
»Ich finde, wir sollten es nach einer bedeutenden literarischen Figur benennen. Vielleicht Cervantes. Oder Shakespeare.«
»Wusstest du schon, dass beide im selben Jahr gestorben sind?«
»Nein.«
»Doch. 1616. Du kannst es nachschauen.«
»Ich glaube es trotzdem nicht.«
»Willst du fünf Piepen wetten?«
»Darauf wette ich«, sagt Charles und streckte die Hand aus.
Sie gaben sich die Hand drauf, und Elinor sagte sich: Wir sind nun schon über zehn Jahre verheiratet, und er hat immer noch nicht
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