Planetenkrieg - Lebende Festung: Roman (German Edition)
Tausende von Spiegeln – die in punkto Ziel und Orbit höchste Präzision erforderten – zu steuern, musste Argus sich häufig bei seinen sorgfältig programmierten Plänen mit den Auswirkungen der Schwerkraft auseinandersetzen. Wenn man einen Energiestrahl mit zehn Zentimeter Durchmesser vom Orbit der Venus in den Asteroidengürtel jagt und versucht, damit einen Spiegel zu treffen, der nur zehn Meter groß ist, muss man irgendwie … detailversessen sein.
Im Sonnensystem gab es Tausende kleinerer Schwerkrafteffekte. Das schloss sowohl Asteroiden ein, wenn das Objekt einen solchen nahe genug passierte – und Argus war ausgesprochen pingelig in der Frage, was »nahe genug« war –, als auch die gravitischen Auswirkungen der Schifffahrt, die anfingen, Argus ernsthaft zu ärgern, und schließlich auch die nach seiner Zählung einhundertneunundvierzig Objekte von planetarischen Ausmaßen, die Argus als genügend große Schwerkraftkonstante definierte, um eine Sphäre zu bilden. Argus zählte auch siebzehn Objekte im Kuiper-Gürtel dazu, welche die menschlichen Astronomen bis jetzt noch nicht entdeckt hatten, weil sie, wie Argus fand, nicht ehrgeizig genug waren.
Als Argus in Dienst gestellt worden war, waren sich die Astronomen auf der Erde noch nicht sicher gewesen, ob sie schon alle kleineren planetarischen Objekte in Erdnähe mit über einem Meter Durchmesser kategorisiert hatten.
Argus hätte ihnen die Frage nach einer Woche beantworten können. Nein, hatten sie nicht. Aber zu dem Zeitpunkt war Argus bereits voll im Einsatz, und Argus neigte im Allgemeinen nicht zu leerem Gerede.
Neben dem SAPL -Array verfügte Argus noch über zwei weitere Systeme, die er dazu einsetzen konnte, die Geschosse der Rangora zu orten. Eines der Systeme waren die diversen planetarischen Teleskope der Menschen, die Athena im Notfall ausnahmslos mit Beschlag belegen durfte und das auch tun würde. Die Menschen hatten Radarteleskope, Röntgenteleskope, Radioteleskope und – nicht dass es Argus interessiert hätte – Teleskope, um einen Furz zu entdecken. Den mangelnden Ehrgeiz der menschlichen Astronomen konnte man nach Ansicht von Argus am deutlichsten an der Qualität ihrer Teleskope erkennen. Er übernahm die Daten und verarbeitete sie, aber das war nicht gerade sein Hauptinteresse. Dasselbe galt auch für das große orbitale Weltraum-Radarsystem, über dem SpaceCom ständig brütete.
Das zweite System war ein Detektor-Array für Gravitationsanomalien. Die US-Regierung hatte sechsunddreißig Gravitationsdetektoren im Orbit zwischen dem Tor und der Erde verteilt, mit dem speziellen Zweck, Angriffe wie diesen rechtzeitig zu erkennen. Für menschliche Systeme waren sie ganz gut, und sie lieferten auch brauchbare Ergebnisse über gravitische Anomalien. Wenn man all den Kram herausfilterte.
Argus verstand sich gut darauf, Kram herauszufiltern. Wenn man eine Hand voll mit Senf vermischte Mohnsamen vor Argus fallen ließ, würde er das Gemenge bereits sortiert haben, ehe es auf dem Boden auftraf.
Bei der Suche nach den dreiundneunzig Geschossen konzentrierte Argus sich zunächst auf das, was sie zu glauben wusste. Will heißen, die KI hatte von Paris, Athena und den verteilten Gravitationsdetektoren Informationen über die ursprüngliche Beschleunigungsphase der Geschosse erhalten. Ein Teil dieser Information war falsch, das wusste Argus. Aber so sehr die Lenkwaffensysteme ihre Daten auch verschleierten, sobald sie ihren Antrieb abgeschaltet hatten, befanden sie sich auf vorprogrammierten Orbits auf Erdkurs. Sie befanden sich irgendwo in einem Eimer voll Weltraum. Einem großen Eimer Weltraum, aber einem von endlichen Ausmaßen.
Anschließend befasste die KI sich mit nicht so offensichtlichen Daten. In jenem großen Eimer Weltraum befanden sich auch andere Objekte: Weltraumschutt, Raumschiffe, Spiegel. Weil Argus … detailversessen war, musste sie ständig Dinge wie den Einfluss von Antriebsaggregaten zwischen der Erde und Troy verkehrender Shuttles auf Spiegel auf Venus-Orbit, vier Lichtsekunden oberhalb der Ebene der Ekliptik berücksichtigen. Möglicherweise bedeutete das nur ein Tausendstel Mikrometer Abweichung in der Position des Spiegels, aber das war wichtig , wenn man mit Energiestrahlen um sich schoss. So etwas könnte dazu führen, dass der Strahl die 0,0001 Prozent Zielabweichung überschritt. Es mochte verrückt klingen, aber wenn man nicht auf solche Kleinigkeiten achtete, konnte es dazu kommen, dass ein Strahl, ehe
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