Planetenwanderer: Roman (German Edition)
einer spiegelglatten Bildschirmoberfläche dominiert. Josen Rael saß in beherrschender Position in einem schwarzen Stuhl mit hoher Lehne; über seinem Kopf hing der Globus von S’uthlam in einem dreidimensionalen Relief. »Hafenmeisterin Mune«, sagte er und nickte ihr zu, als sie sich auf einen freien Sitz am unteren Ende des Tisches kämpfte.
Um sie herum drängten sich die Mächtigen – der Innere Rat, die Elite der Technokratenfraktion, einflussreiche Bürokraten. Ihr halbes Leben war vergangen, seit sie das letzte Mal nach unten befohlen worden war, aber Tolly Mune schaute Nachrichten und erkannte viele der Leute – den jungen Rat für Landwirtschaft, umgeben von seinen Unterräten und Assistenten für Botanische Forschung, Ozeanische Entwicklung und Nahrungsmittelherstellung. Der Kriegsrat und sein Cyborg-Taktiker. Der Transportadministrator. Die Kuratorin der Datenbanken und ihr Chefanalytiker. Die Räte für Innere Sicherheit, Wissenschaft und Technologie, Interstellare Beziehungen, Industrie. Der Kommandeur der Planetaren Verteidigungsflottille. Der Chef der planetaren Polizei. Sie alle nickten ihr ausdruckslos zu.
Vernünftigerweise verzichtete Josen Rael auf jegliche Förmlichkeit. »Sie hatten eine Woche Zeit, um Tufs Voraussagen und das Saatgut und die Proben zu begutachten, die er uns zur Verfügung gestellt hat«, wandte er sich an den Rat. »Nun?«
»Es ist schwer, mit auch nur annähernder Genauigkeit zu urteilen«, sagte der Datenanalytiker. »Seine Voraussagen könnten auf den Punkt genau stimmen, sie könnten aber auch völlig falsch sein, wenn sie von fehlerhaften Voraussetzungen ausgehen. Es ist mir nahezu unmöglich, sie auf ihre Akkuratheit hin zu untersuchen, bis … nun, ich würde sagen, es wird mehrere Ernten dauern, mehrere Jahre. Die Sachen, die Tuf für uns geklont hat, diese Pflanzen und Tiere und dergleichen – das alles ist neu auf S’uthlam. Bis wir konkrete Erfahrungen damit haben, um zu bestimmen, wie sie sich unter S’uthlams Bedingungen entwickeln, können wir uns nicht sicher sein, was sie bewirken werden.«
»Wenn überhaupt«, sagte die Rätin für Innere Sicherheit, ein kleiner, kantiger Klotz von einer Frau.
»Wenn überhaupt«, wiederholte der Analytiker.
»Sie sind viel zu konservativ«, unterbrach sie der Rat für Landwirtschaft. Er war der Jüngste im Raum, ungestüm und freimütig, und im Moment sah sein Lächeln aus, als könnte es sein dünnes Gesicht in zwei Teile spalten. »Meine Berichte sind allesamt überaus positiv.« Er hatte einen hohen Turm kristallener Datenchips vor sich auf dem Konferenztisch liegen. Er breitete sie aus und schob einen in einen Schlitz an seiner Station; lange Reihen von Ergebnissen scrollten über den verspiegelten Tisch unter der polierten Oberfläche. »Das ist unsere Analyse dessen, was er Omni-Korn nennt«, sagte der Ratsherr. »Unglaublich, wirklich unglaublich. Eine genetisch zugeschnittene Hybride, vollständig essbar. Vollständig essbar, meine Damen und Herren Räte, jeder Teil dieser Pflanze. Die Stängel wachsen hüfthoch, wie Neogras, sehr viele Kohlehydrate, eine knackige Textur, und mit ein wenig Dressing schmecken sie gar nicht mal so übel, aber primär kann man sie als Futterpflanze für Fleischlieferanten nutzen. Die Köpfe enthalten ein exzellentes Getreidekorn mit einem besseren Korn-Spreu-Verhältnis als Nanoweizen oder S’Reis. Die Ernte ist leicht zu transportieren, ohne Kühlung dauerhaft lagerbar, nicht zu zerquetschen und reich an Proteinen. Und die Wurzeln bestehen aus essbaren Knollen! Nicht nur das, sondern es wächst außerdem so verdammt schnell, dass wir pro Saison doppelt so oft wie bisher ernten werden. Alles nur Vermutungen, natürlich, aber ich gehe davon aus, dass wir, wenn wir statt Nanoweizen, Neogras und S’Reis jetzt Omni-Korn anbauen, auf denselben Flächen drei- bis viermal so viele Kalorien ernten werden.«
»Es muss einige Nachteile geben«, warf Josen Rael ein. »Das klingt zu gut, um wahr zu sein. Wenn dieses Omni-Korn so perfekt ist, warum haben wir nicht schon früher davon gehört? Tuf hat es sicher nicht in diesen paar Monaten gezüchtet.«
»Natürlich nicht. Das gibt es schon seit Jahrhunderten. Ich habe einen Querverweis in den Datenbanken gefunden, ob Sie es glauben oder nicht. Es wurde während des Krieges vom ÖIK als Armeenahrung entwickelt. Das Zeug wächst so schnell, dass es ideal ist, wenn man sich nicht sicher sein kann, ob man die Felder abernten wird, die
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