Planlos ins Glueck
Ärzte, Freunde: Wenn diese Details von der Polizei überhaupt untersucht worden waren, dann befanden sich keine Notizen dazu in dem Beweismaterial, das man Jessies Anwältin zur Verfügung gestellt hatte. Laut Akten waren die Diebstähle die einzige Verbindung zwischen den Frauen.
„Alle Anzeigen wurden von unterschiedlichen Beamten aufgenommen. Aber das heißt nicht, dass nicht möglicherweise ein anderer Beamter auf die Damen aufmerksam geworden ist, als sie auf die Polizeiwache gekommen sind.“
Jane konnte kaum glauben, was Chases Dad da sagte. Er war doch selbst Polizist gewesen! „Halten Sie es wirklich für möglich, dass ein Cop etwas mit der Sache zu tun hat?“
„Es ist unwahrscheinlich, aber deswegen sollten wir die Möglichkeit noch lange nicht verwerfen. Und jetzt sollten wir alles noch mal von Anfang bis Ende durchgehen. Was passiert, wenn Ihnen die Handtasche geklaut wird? Sie erstatten Anzeige – und was dann? Was haben diese drei Frauen als Nächstes getan? Wem sind sie begegnet?“
„Sie haben ihre Kreditkarten sperren lassen“, schlug Jane vor.
Mr Chase schrieb den Punkt auf. „Und ihre Handys sehr wahrscheinlich auch.“
Chase blätterte in zwei Akten, dann warf er ein: „Zwei der Frauen waren beim selben Netzbetreiber unter Vertrag.“
Sein Dad hob eine Braue und murmelte: „Dann sind sie vielleicht in dieselbe Handyshop-Filiale gegangen.“ Der Stift flog nur so über seinen Notizblock. „Außerdem ist mir aufgefallen, dass alle drei Frauen ihre Hausschlüssel in der Handtasche hatten. Die Schlösser werden sie also auch ausgewechselt haben.“
Jane fügte hinzu: „Und sie brauchten so schnell wie möglich einen neuen Führerschein.“
Sie sammelten noch über eine Stunde lange weitere Ideen, und als sie zurück nach Aspen fuhren, war Jane fast schon euphorisch. Chases Dad würde die Liste mit den Gemeinsamkeiten an Ms Holloway weiterreichen, die den ermittelnden Beamten vorschlagen würde, besser in diese Richtung zu ermitteln, ehe die Presse den Eindruck gewann, dass sie ihre Arbeit nicht richtig machten.
Nicht mehr lange, und Jessies Weste wäre wieder weiß – bis auf die Diebstähle zumindest. Und damit würde sich Janes Leben wieder normalisieren. Nur dass sie zunehmend den Verdacht hatte, dass sie gar nicht mehr wusste, wie „normal“ eigentlich aussah.
Am Mittwochnachmittag saß Jane an ihrem Schreibtisch im Büro und sah sich verwundert um. Mittlerweile arbeitete sie bereits seit drei Tagen wieder. Das Chaos aus unentzifferbaren Notizen, das Mr Jennings während ihrer Abwesenheit an ihrem Arbeitsplatz hinterlassen hatte, war inzwischen auf zwei vollgekritzelte Zettel geschrumpft.
Jane liebte es, die mysteriösen Hinweise zu entschlüsseln, die Mr Jennings ihr manchmal hinterließ. Was beispielsweise meinte er mit „8 Süden Junge hier“? Er selbst konnte sich natürlich nicht erinnern, jemals etwas Derartiges geschrieben zu haben. Also war es an Jane, Detektiv zu spielen. Die Nachricht auf dem zweiten Zettel war an sich ziemlich deutlich: „Donnerstag, neun Uhr“, stand da. Allerdings hatte Mr Jennings keine Ahnungmehr, um wen oder was es ging. Sie würden bis Donnerstag warten müssen, damit sich das Geheimnis lüftete.
Noch mehr als über Mr Jennings Notizen wunderte Jane sich allerdings über die Ruhe, die schlagartig in ihr Leben eingekehrt war. Jessies Anwältin hatte ihre Trümpfe beeindruckend geschickt ausgespielt. Seit Ms Holloway die Liste mit den Gemeinsamkeiten vorgelegt hatte, war der Cop, der die Mordermittlungen leitete, nicht mehr ganz so überzeugt vom Jessie-istein-Serienmörder-Szenario. Zudem war im vorläufigen Bericht des Gerichtsmediziners ein Todeszeitpunkt angegeben, zu dem Jessies Alibi hieb- und stichfest war.
Seitdem hoffte Jane, dass es nur noch eine Frage der Zeit war, bis die Polizei den wahren Mörder fand. Außerdem hatte der mit Jessies Fall betraute Staatsanwalt Andeutungen gemacht, dass er sich bezüglich der Diebstähle auf einen Deal einlassen würde. Deutlicher hätte er nicht signalisieren können, dass niemand mehr mit einer zusätzlichen Anklage rechnete. Es ging voran.
„Gott sei Dank“, flüsterte Jane. Im selben Moment erinnerte Outlook sie daran, dass Mr Jennings in fünf Minuten einen Telefontermin mit einem renommierten Holzlieferanten hatte. Sie drückte auf die Gegensprechanlage. „Mr Jennings?“
Schweigen.
Sie versuchte es erneut. „Mr Jennings?“
Die Erfahrung hatte sie gelehrt, dass es
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