Planlos ins Glueck
vorkam, dass Mr Jennings erst bei der zweiten Unterbrechung von der Arbeit hochschreckte. Hatte er bis dahin nicht reagiert, war es hoffnungslos. Jane stand auf und lief zu seinem Büro. Die Tür stand einen Spaltbreit offen, und sie konnte sehen, wie ihr Chef sich über seinen Zeichentisch beugte und auf einem riesigen Bogen Papier konzentriert eine Reihe schnurgerader Linien zog.
„Mr Jennings.“ Sie tippte ihm auf die Schulter. „Hm?“, brummte er, ohne aufzublicken.
„In drei Minuten haben Sie einen Telefontermin mit Hatlock Wood. Soll ich dort anrufen und zu Ihnen durchstellen?“
Jetzt sah er sie mit verklärtem Blick an. „Was? Wer?“
„Hatlock Wood, Mr Jennings. Der Telefontermin. Sind Sie bereit?“
„Oh.“ Er warf einen sehnsüchtigen Blick in Richtung Zeichentisch, dann lockerte er seufzend seine Schultern. „Klar.“
„Sie haben immer noch keine Ahnung, was das mit ‚Süden Junge‘ zu bedeuten hat, oder?“
„Das mit was?“
„Dachte ich mir schon. Ich stelle Hatlock gleich zu Ihnen durch, Sir. Kann ich Ihnen einen Kaffee bringen?“
Mr Jennings nahm dankend an. Gott, fühlte es sich gut an, endlich wieder etwas zu tun zu haben! Als Jane den Kaffee holte und den Anruf organisierte, lag ein zufriedenes Lächeln auf ihren Lippen. Sie selbst hatte heute Nachmittag ebenfalls Termine: einen mit dem Buchhalter und einen zweiten mit einem Lehrer von der örtlichen Highschool, der gerne einen Praktikanten bei Jennings Architecture unterbringen wollte. Jane war zwar wenig begeistert von der Vorstellung, sich ihren durchorganisierten Arbeitsalltag von einem Teenager durcheinanderbringen zu lassen, aber Mr Jennings war völlig hin und weg von der Idee. Da ihm die Sache nicht auszureden war, wollte Jane wenigstens sichergehen, dass die Schule ihnen keinen Chaoten schickte. Und dann war da natürlich auch noch Loris Abschiedsfest, das organisiert werden wollte …
Als Jane gerade die Buchhaltung vorsortierte, kam ein Landschaftsarchitekt vorbei, um ein paar Zeichnungen für einen von Mr Jennings’ Kunden abzugeben. Der Mann blickte einfach durch Jane hindurch. Ein gutes Zeichen! Trotz allem, was in den letzten beiden Wochen vorgefallen war, kauften ihr die Leute ihre biedere Fassade noch immer ab. Sie wurde als Büroinventar wahrgenommen. Der scharlachrote Buchstabe auf ihrer Stirn war noch immer unsichtbar. Also hatten die Gerüchte nicht die Runde gemacht. Alles war wie eh und je.
Bis auf einen Punkt. Denn Jane war klar geworden, dass sie sich mit ihrer Familie abfinden musste. Ganz gleich, wie sehr sie versuchte, sich von ihnen abzugrenzen: Diese Menschen waren ein Teilvon ihr. Es wäre dumm und ziemlich naiv gewesen, etwas anderes zu glauben. Sie würde keine Party schmeißen, um ihre Kollegen mit dem MacKenzie-Clan bekannt zu machen, aber sie hatte begriffen, dass sie die beiden Seiten ihres Lebens in ein besseres Gleichgewicht bringen musste. Dass sie einen Weg finden musste, ihr Haus mit Garten zu bekommen, ohne ihre Familie zu verleugnen.
Als eine leicht hysterische Kundin anrief, bekam die friedliche Blase, in der Jane durchs Büro schwebte, eine kleine Delle. Die Frau hatte erstmals den Naturstein begutachtet, mit dem der Außenkamin an ihrem neuen Haus eingefasst worden war, und war überzeugt, dass Mr Jennings ihr etwas völlig anderes beschrieben hatte. Jane machte eine Notiz und legte sie direkt vor ihrem Chef ab, der bedauerlicherweise gerade so tief in eine Unterhaltung über altes Buchenholz versunken war, dass er die Außenwelt nicht mehr wahrnahm.
Und dann platzte die Blase.
Denn als Jane in den Empfangsbereich zurückkehrte, war wie aus dem Nichts Greg Nunn vor ihrem Schreibtisch aufgetaucht. Er stand, die Hände in den Hosentaschen, einfach da und lächelte Jane so selbstzufrieden an, als wäre er der König der Welt. Jane schlug das Herz bis zum Hals. Greg hätte sich nie die Mühe gemacht, extra hierherzukommen, nur um ihr eine erfreuliche Nachricht zu überbringen.
„Ich habe erfreuliche Nachrichten, Jane“, sagte Greg.
Ach ja? Sie warf einen nervösen Blick zu Mr Jennings’ Bürotür, um sicherzugehen, dass ihr Chef nach wie vor telefonierte. „Was willst du, Greg?“
„Du hast mich doch gebeten, mir den Fall noch einmal anzusehen.“
„Richtig.“
„Nun ja, und ich habe beschlossen, dir den Gefallen zu tun.“ „Oh, ähm, danke …“
Er umrundete den Schreibtisch und lehnte sich direkt neben Jane an die Wand. „Es wird dich freuen zu hören, dass
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