Plasma City
wegkomme, aber es müsste irgendwann in den nächsten paar Wochen klappen. Und dann können wir uns zusammensetzen und unsere finanzielle Situation klären.«
»Gut«, sagt Aiah. »Aber mit den achthundert müsste ich erst einmal zurechtkommen, bis du hier bist.«
Sie streift die Schuhe ab und setzt sich auf den Teppich. Sie schaut zu Gils Bild hoch und entschuldigt sich wortlos bei ihm für alles, für die Täuschungen, zu denen sie Zuflucht nehmen wird, für die Situationen, die er nie verstehen wird, für die Serie von Lügen, die sie vielleicht nie mehr wird unterbrechen können.
»Ich liebe dich«, sagt Gil. »Du weißt ja gar nicht, wie sehr ich dich vermisst habe. Aber ich werde mich bemühen, alles wieder gut zu machen, wenn ich zu Hause bin.«
»Ich liebe dich auch«, sagt Aiah und fragt sich gleichzeitig, ob es überhaupt noch stimmt.
Vielleicht, denkt sie, habe ich mich jetzt selbst zur Passu gemacht.
■ ■ ■
»Das Geld«, sagt Aiah. »Ich wollte nur daran erinnern, dass ich es noch nicht bekommen habe.«
Constantine sieht durch die getönte Scheibe nach draußen, während der Elton langsam am Terminal vorbeifährt. Er sitzt neben Aiah auf dem dick gepolsterten Rücksitz und beobachtet das Gedränge auf den schmalen Straßen.
»Ich habe erwartet, dass Sie mich früher oder später fragen würden«, antwortet er.
»Ich dachte, ich gebe Ihnen eine Woche.«
»Es sind Vorkehrungen bei einer Bank in Gunalaht getroffen worden. Ich gebe Ihnen morgen die Codes. Sie können das Geld fernschriftlich abheben, aber um der Aufmerksamkeit der Steuerbehörden zu entgehen, wäre es vielleicht besser, wenn Sie mit der InterMetro-Pneuma selbst hinfahren und das Geld persönlich abholen. Außerdem müssen Sie sowieso mindestens einmal hinfahren, um sich als Verfügungsberechtigte registrieren zu lassen.«
Die kleine Metropolis Gunalaht ist vor allem wegen ihrer Banken und Spielcasinos bekannt. Die Banken arbeiten rein privatwirtschaftlich und verwalten daher die Guthaben der Hälfte aller Gauner und Betrüger in Jaspeer. Die Casinos dienen dazu, das Geld von den Konten der Verbrecher auf die der Regierung umzuschichten. Die Metropolis ist mit der Pneuma ungefähr eine halbe Tagesreise entfernt, mit dem Luftschiff dauert die Fahrt anderthalb Tage. Gerade weit genug, um die Reise sehr unbequem zu machen.
Ich muss mir vielleicht ein paar Tage frei nehmen, überlegt Aiah. Sie sieht sich ängstlich auf den geschäftigen Straßen um und sucht nach bekannten Gestalten – nach dem dürren Mann, nach einem ihrer Angreifer.
Vergessen Sie den Mann, hat Constantine gesagt. Das Problem ist erledigt. Aber irgendwie kann sie ihn trotzdem nicht vergessen.
»Ein freier Tag?«, sagt Constantine. »Ich wünsch te, Sie könnten eine Woche frei nehmen. Was für eine Arbeit machen Sie eigentlich?«
»Auf einem Posten wie meinem«, erklärt Aiah, »wartet man hauptsächlich darauf, dass die Vorgesetzten sterben oder in Rente gehen. Sie könnten meinen Job auch automatisieren, aber das würde bedeuten, dass der Personaletat der Behörde gekürzt wird und …«
»Ach so.« Constantines Stimme klingt sarkastisch und amüsiert zugleich. »So geht es in allen großen Verwaltungen. Was ist der entscheidende Faktor in Jaspeers Etat? Es sind die mehr als neunzig Prozent, die dafür ausgegeben werden, dass alles so bleibt, wie es ist. Der Verkehr muss laufen, Gebäude und Straßen müssen unterhalten und Pensionen bezahlt werden, und Leute wie Sie klammern sich an ihren Schreibtischjob und erledigen unproduktive Arbeiten, während Sie darauf warten, dass Ihre Vorgesetzten sterben, damit Sie deren unproduktive Jobs übernehmen können. Was ändert sich, wenn die Wähler eine neue Regierung wählen? Überhaupt nichts. Denn die Leute an der Spitze haben nicht wirklich die Macht. In Wirklichkeit wird alles durch ein Triumvirat von Interessengruppen beherrscht …«
Er hebt die rechte Hand, streckt drei Finger aus und zählt mit dem linken Daumen ab. »Bürokratie, Gewerkschaften und die Operation. Sie haben das Geld zwischen sich aufgeteilt. Die ersten beiden bekommen alles, was in den Büchern steht, die Operation bekommt den Rest. Und von diesen dreien arbeitet nur die Operation effizient, weil es nur bei ihr Strafen für Unfähigkeit gibt.«
Aiah sieht den zynisch lächelnden Constantine fragend an. »Das klingt ja beinahe, als würden Sie die Operation bewundern«, sagt sie. Dann fällt ihr wieder ein, was er gesagt hat: Das
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