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Plastikfreie Zone

Plastikfreie Zone

Titel: Plastikfreie Zone Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandra Krautwaschl
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Assoziationen bei mir aus. Vor allem die Aufnahmen von einer indischen Mülldeponie und Bootes Interview mit einer Frau, die dort arbeitet, erschüttern mich zutiefst. Diese Leute haben definitiv andere Sorgen als wir, denke ich. Hier geht es nicht darum, ob Bisphenol A in den Babyfläschchen die Kinder möglicherweise in Zukunft unfruchtbar macht oder ob Weichmacher zu Diabetes und Übergewicht führen – nein, hier stellt sich die Frage, ob diese Kinder überhaupt so alt werden, dass Fruchtbarkeit für sie zum Thema wird. Für Menschen, die auf einer solchen Mülldeponie arbeiten und leben, gelten keine Schadstoffgrenzwerte, und so etwas wie Gesundheitsvorsorge kommt im täglichen Kampf ums Überleben nicht vor.
    Plötzlich macht sich ein seltsames Gefühl in mir breit. Ich sitze hier im sattesten Teil dieses Planeten, bin außerdem in vielerlei Hinsicht auf die Butterseite des Lebens gefallen und mache mir Gedanken darüber, wie es noch besser werden könnte. In diesem Moment kommt mir das ziemlich überheblich vor. Unsere Sorge um Gesundheitsgefährdung durch Kunststoffe spielt sich tatsächlich auf sehr hohem Niveau ab.
    Nur: Ist die Forderung nach gesundheitsverträglichen Produkten und intakter Umwelt wirklich nur ein Privileg derer, die es sich leisten können, darüber nachzudenken? Oder muss man es nicht vielmehr so sehen, dass dieses Privileg geradezu die Verpflichtung beinhaltet, solche Forderungen zu stellen? Sind wir, die Bessergestellten, die vom Glück Begünstigten, nicht geradezu verantwortlich dafür, all jenen unsere Stimme zu leihen, die sich nicht wehren können, weil sie jeden Tag um ihre Existenz und ihr Überleben kämpfen?
    Oder eine andere Szene, in der die Bewohner einer Slumsiedlung ihr gesamtes Plastikinventar vor die Hütten räumen. Als ich das jetzt sehe, fällt mir der leider sehr abgedroschene Spruch »Global denken, lokal handeln« ein. Was aber bedeutet lokales Handeln in diesem Zusammenhang? Welche Konsequenzen hat es für den Umgang mit einem Material, das aus einem nicht nachwachsenden Rohstoff besteht? Vor allem in Ländern und Regionen, wo Mülltrennung und -sammlung sowie Recycling nicht einmal ansatzweise mit der anfallenden Müllmenge Schritt halten können?
    Mir fällt auf, dass ich mir immer wieder sehr ähnliche Fragen stelle. Es ist einfach verdammt schwierig, »lokales Handeln« tatsächlich mit »globalem Denken« in Verbindung und Einklang zu bringen, denn es setzt die Fähigkeit voraus, Zusammenhänge zu erkennen, und die Bereitschaft, sich selbst in diese hineinzudenken. Ich erinnere mich an die Antwort, die ich Marlene damals gegeben habe, als sie nach dem Sinn einer einzelnen Aktion fragte. Ich erklärte ihr, dass wir, indem wir ständig Plastik kaufen, dazu beitragen, dass immer mehr produziert werde und immer mehr Plastikmüll anfalle, der dann eben auch die Strände in Kroatien verschmutze.
    Eigentlich habe ich damals versucht, meiner zehnjährigen Tochter in einem Satz einen Zusammenhang zu erklären, den die meisten Erwachsenen, mich selbst eingeschlossen, oft nicht erkennen. Unser Verhalten, speziell unser Konsumverhalten, hat eben nicht nur dort, wo wir leben, Auswirkungen. Nein, die Folgen reichen weit über unsere Landesgrenzen hinaus. Dass Recycling hier bei uns einigermaßen – wohlgemerkt einigermaßen! – funktioniert, ändert nichts daran, dass wir mit dem Kauf von Plastikverpackungen die Produktion dieser Dinge weltweit fördern und vorantreiben und damit auch zu der fortschreitenden Vermüllung der Meere und ganzer Landstriche beitragen. Und überdies eine Industrie unterstützen, die daran gut verdient, ohne sich um die Folgen zu kümmern.
    Langsam nähere ich mich dem tieferen Sinn unseres Experiments wieder an. Es bringt niemandem etwas, wenn ich mich bloß schlecht fühle, weil ich in eine bevorzugte Gesellschaft hineingeboren wurde. Hingegen bringt es etwas, wenn ich mich bemühe, den damit verbundenen Überfluss zu reduzieren und dort anzufangen, wo es eigentlich am einfachsten sein sollte, nämlich beim Müll.
    Ich hoffe zumindest, dass jeder an seinem Platz ein bisschen was zu einer positiven Veränderung beitragen kann; und Diskussionen wie diese in Graz können vielleicht andere motivieren, es ebenfalls zu versuchen. Vor allem eines möchte ich den Leuten klarmachen: dass es reicht, erst einmal anzufangen, dass es nicht perfekt sein muss, dass man sich einfach auf den Weg machen soll.
    Als mich Werner Boote nach einer kurzen

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