Plastikfreie Zone
Plastikverpackungen stecken, dann scheint mir, dass wir nicht nur im Plastikzeitalter leben, sondern auch im Jahrhundert des Verpackungswahns.
Einige Tage später setze ich mich mit den Kindern am großen Esstisch zu einer Bastelstunde zusammen, breite Tannenzweige, Bast, Strohkranz, Bienenwachs und Dochte aus und mache mich ans Werk.
Leider artet das Unternehmen in Arbeit aus: Der Bast, den ich zufällig im Haus hatte, besteht nämlich aus lauter kurzen Stücken, sodass ich jedes Tannenzweigbündel einzeln am Strohkranz festbinden muss. Statt einer halben Stunde wie früher brauche ich diesmal geschlagene zweieinhalb Stunden, eine echte Geduldsprobe. Dafür lässt sich das Endergebnis ebenso sehen wie die rund zwanzig Kerzen aus Bienenwachs, die die Kinder zwischenzeitlich angefertigt haben. Und weil wir alle der Meinung sind, dass unser Adventskranz noch nie so schön war wie heuer, findet der lange Bastelnachmittag, der so frustrierend begonnen hat, schließlich ein versöhnliches Ende. Trotzdem stelle ich in den Blog die Frage ein, ob jemand eine weniger zeitaufwendige Bindetechnik kennt, und erhalte prompt eine Antwort: Einfacher Zwirn soll wunderbar funktionieren. Ich werde es mir fürs nächste Jahr merken.
Eigentlich liebe ich Bastelnachmittage, Kekse backen, Kerzen anzünden und mit den Kindern musizieren und Lieder singen. Allerdings wird die Weihnachtszeit mittlerweile durch den ganzen vordergründigen Rummel teilweise ihrer Beschaulichkeit und Besinnlichkeit beraubt. Was sollen das unaufhörliche Weihnachtsliedergedudel und die blinkenden, quäkenden Weihnachtsmänner mit ihren Rentieren? Alles wird übertrieben. Sogar in unserer ländlichen Gegend fühlt man sich erschlagen von beleuchteten Straßenzügen, Auslagen, Fassaden und Gärten. Teilweise erinnert mich diese Lichterflut schon an amerikanische Verhältnisse.
Bereits seit Jahren ist mir diese weihnachtliche Energieverschwendungsorgie ein Dorn im Auge. Wie sollen Kinder so etwas verstehen, wenn sie gleichzeitig in Kindergarten und Schule sowie zu Hause angehalten werden, nicht unnötig Licht brennen zu lassen und auch ansonsten sorgsam mit Energie umzugehen? Trotzdem ist ein Ende dieses Beleuchtungszirkus nicht abzusehen, denn Jahr für Jahr scheint es mehr zu werden. Oder bin ich heuer einfach nur kritischer, weil ich mehr über diese Dinge nachdenke?
Jedenfalls bin ich sehr froh, dass unsere Kinder diesbezüglich einen klaren Standpunkt einnehmen. Sie finden es viel schöner, am Abend ein paar Kerzen anzuzünden und dabei eine Geschichte zu lesen, als den Garten oder die Fassade unseres Hauses zu beleuchten. Natürlich gibt es da ganz unterschiedliche Zugänge. So weiß ich von einer Arbeitskollegin, Mutter von fünf Kindern, dass für sie die Weihnachtsbeleuchtung ein Muss ist, obwohl sie ansonsten ziemlich aufs Geld schaut, um über die Runden zu kommen. Sie lebt mit ihrer Familie in einer Reihenhaussiedlung, wo es offenbar Brauch ist, um die schönste Beleuchtung zu wetteifern. Dem könne man sich nicht entziehen, hat sie mir irgendwann erzählt, da sei der Gruppendruck einfach zu groß. Als ich ihr daraufhin leicht provokant vorschlug, sie könne sich ja quasi von den Nachbarn mit beleuchten lassen, verdrehte sie nur die Augen. »Das stellst du dir ein bisschen zu einfach vor. Schließlich wollen wir ja keine Schmarotzer sein.« Da war ich tatsächlich sprachlos. Weihnachtsbeleuchtungsschmarotzer! Wo gibt’s denn so was?
Dass die meisten Beleuchtungskörper hauptsächlich aus Kunststoff bestehen, ist übrigens nicht der Hauptgrund, warum die weihnachtliche Lichterorgie so etwas wie mein persönliches Feindbild geworden ist. Es geht vielmehr darum, dass wir sie uns als notwendig haben einreden lassen. Schließlich geht es ja vielfach nicht darum, sich selbst mit einem Sternenvorhang im Fenster oder einer Lichterkette an der Haustür eine Freude zu machen, sondern man tut es, um dazuzugehören.
Irgendwie ist es gelungen, Weihnachtsbeleuchtung als einen Teil des kollektiven Lebensgefühls unserer Zeit zu etablieren – etwas, das wir »haben wollen müssen«, um nicht als Spaßverderber dazustehen. Mit vielen Dingen ist das so, ganzjährig und nicht nur zur Weihnachtszeit. Gegen Beleuchtungsorgien mag ich ja immun sein, nicht aber gegenüber anderen Sachen. Unzählige Male habe ich mich in den letzten Wochen gefragt, warum das ganze Zeug in unserem Stall, das wir ganz und gar nicht vermissen, eigentlich gekauft oder aufgehoben wurde.
Weitere Kostenlose Bücher