Plastikfreie Zone
Experiment darin bestärkt, diese Belastung abzuschütteln und mir die Freude am Schenken zurückzuerobern.
Auch Besuche gehören zur Vorweihnachtszeit. Am dritten Adventssonntag kommen Marianne und Nicole mit ihren Kindern zu uns. Marianne ist Marlenes Patin, meine Trauzeugin und eine sehr gute Freundin, die Flohmärkte und alte Sachen liebt und sich von Anfang an für unser Experiment interessierte. Peter hat nach dem leisen Hinweis, dass er in dieser Runde nur stören würde, die Flucht ergriffen und ist mit seinem Mountainbike zu einer kleinen Wintertour aufgebrochen.
Wir wollen uns einen gemütlichen Nachmittag machen, gemeinsam Kekse backen und Bienenwachskerzen basteln. Nachdem das letzte Blech im Rohr ist, gehen unsere insgesamt acht Kinder erst einmal zum Schneemannbauen in den Garten, während wir Mütter eine kleine Pause mit einer Tasse Kaffee einlegen und die ersten Kekse probieren. Eine gute Gelegenheit zudem, uns in aller Ruhe zu unterhalten.
Meine beiden Freundinnen berichten von den Veränderungen, die auch sie seit Beginn unseres Experiments in ihren Haushalten eingeführt haben. Beide holen mittlerweile die Milch beim Bauern, kaufen Joghurt in Pfandgläsern und versuchen überhaupt möglichst viele Lebensmittel unverpackt beim Erzeuger oder auf dem Markt zu bekommen. Nicole nimmt zum Einkaufen wie ich fast immer eine Metalldose für Käse oder Wurst mit. Allerdings klagt sie, dass teilweise gerade biologische Lebensmittel nur in Plastik verpackt erhältlich seien. Erfahrungen, die ich selbst gemacht habe, ohne eine wirklich einleuchtende Erklärung für diese Tatsache zu finden.
Warum verwenden die Erzeuger nicht zumindest Bioplastik, wenn sie Papier nicht ausreichend finden, um ihre hochwertigen Produkte zu schützen? Marianne meint, dass Bioplastik, weil atmungsaktiv, wahrscheinlich nicht für alle Lebensmittel geeignet sei und sich für Vakuumverpackungen gar nicht verwenden lasse. Was uns zu einer fast philosophischen Diskussion veranlasst, ob und in welchem Ausmaß die möglichst lange Haltbarkeit von Nahrungsmitteln für unsere Lebensqualität ausschlaggebend ist.
Ich persönlich finde das höchstens wichtig, wenn man etwas über längere Zeit transportieren will, also auf dem Weg in den Urlaub etwa, nicht aber für den alltäglichen Verbrauch. Bei uns wird manches schon gegessen, bevor es vom Einkaufskorb überhaupt in den Kühlschrank wandert. Da brauche ich doch keine in Plastik eingeschweißten Lebensmittel. Alle drei sind wir uns einig, dass eine gute Einkaufsplanung entscheidend dazu beiträgt, das Verderben von Lebensmitteln zu verhindern. Das bedeutet unter anderem, nicht endlos auf Vorrat zu kaufen. Ich weiß noch gut, dass früher viele Sachen, vor allem Joghurts, trotz langer Haltbarkeit schlecht wurden, weil zu viel im Kühlschrank stand. Es ist einfach ein Lernprozess, den man durchmachen muss – und den man schafft, sofern man zur Umstellung bereit ist. Allerdings liegt hier, was Essgewohnheiten angeht, generell das größte Problem.
Mit fällt Sonja ein, die unser Experiment eher kritisch sieht und vor Kurzem erst wieder gemeint hat, wir müssten uns klarmachen, dass wir uns nur in einer privilegierten Lebenssituation den Luxus leisten könnten, uns über solche Dinge Sorgen zu machen. Die meisten Menschen hätten andere Probleme. Was nicht ganz von der Hand zu weisen ist, wie mir selbst erst vor ein paar Wochen, als ich Plastic Planet zum dritten Mal sah, überdeutlich zu Bewusstsein kam.
Aber sollten wir uns nicht gerade Gedanken machen, weil uns andere Probleme weitgehend erspart bleiben? Haben wir nicht sogar die Verpflichtung, wie ich mir gerade angesichts der indischen Müllhalden dachte, uns stellvertretend für andere zu engagieren? Für alleinerziehende Mütter und Väter, Geringverdiener, alte Menschen mit kleinen Renten und Pensionen, die am Existenzminimum leben und natürlich andere Sorgen haben als die Vermeidung von Plastikmüll.
Während ich noch solche Fragen in meinem Kopf wälze, wendet sich Marianne, die sich bislang mit Nicole weiter über Sinn und Unsinn der Haltbarmachung von Lebensmitteln unterhalten hat, plötzlich an mich. »Und wie geht’s jetzt bei euch weiter, wenn das Experiment vorbei ist?«
Eine Frage, die ich in doppeltem Sinne seltsam finde. Erstens weil unser Experiment meinem Gefühl nach gerade erst begonnen hat und längst nicht alle Bereiche zufriedenstellend gelöst sind und weil ich zweitens selbst noch keine Sekunde daran
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