Plastikfreie Zone
ein Handy reintun«. Diesen Wink mit dem Zaunpfahl überhöre ich allerdings geflissentlich und wende mich lieber Samuel und Leonard zu, die sich mit den Holzbausteinen beschäftigen.
Schließlich gibt es auch für mich noch eine ganz besondere Überraschung. Peter hat mir aus dem Holz unseres alten Nussbaums, der aus Sicherheitsgründen letzten Sommer gefällt werden musste, einen Anhänger in Herzform geschnitzt, ihn fein säuberlich poliert und geölt und anschließend von einem Juwelier auf eine Goldkette montieren lassen.
Ich bin gerührt. Peter, der weiß, wie viel mir der Nussbaum bedeutet hat, nimmt mich in den Arm und sagt leise: »Siehst du, jetzt kannst du ein Stück von ihm und ein Stück von mir immer bei dir tragen.«
Einige Stunden später, ich liege als Einzige noch wach im Bett, denke ich darüber nach, was Weihnachten eigentlich für mich bedeutet. So sinnentleert und grotesk es mir in der Vorweihnachts zeit oftmals erschienen ist, so hoffnungsvoll und schön empfinde ich es jedes Jahr aufs Neue, es mit meiner Familie zu feiern. Ich denke daran, wie ich dieses Fest als Kind erlebte und wie sehr sich meine Einstellung dazu über all die Jahre veränderte.
Eines allerdings ist geblieben. Das, was für mich mein ganz persönliches Weihnachtsgefühl ausmacht und wahrscheinlich auch dafür verantwortlich ist, dass ich Jahr für Jahr aufs Neue diese wunderbare Vorfreude erlebe. Weihnachten ist für mich, dem ursprünglichen Anlass entsprechend, ein Symbol der Hoffnung. Und gerade durch unser Experiment hat sie für mich neue Nahrung erhalten, und ich kann wieder wirklich daran glauben.
Hoffnung, davon bin ich überzeugt, ist eine der wichtigsten Triebfedern und ein wesentlicher Faktor unseres Handelns. Überdies vermag sie unglaubliche Dinge zu bewirken und andere Menschen anzustecken.
Wie üblich besuchen wir am nächsten Tag meine Schwester Kerstin und ihre Familie. Dieses Jahr schenken wir unseren Kindern wechselseitig Bücher, so haben sie es sich gewünscht. Eine kurzfristige hysterische Anwandlung, weil kaum ein Buch wirklich plastikfrei ist, habe ich schnell unterdrückt, denn schließlich ist Lesen für unsere gesamte Familie eine sehr wichtige Freizeitbeschäftigung. Und obwohl wir Bücher oft ausleihen, kann ich mir nicht vorstellen, in Zukunft gänzlich auf den Kauf von neuen Büchern zu verzichten. Allerdings habe ich mir vorgenommen, zumindest bei jeder sich bietenden Gelegenheit das zusätzliche »Einschweißen« von ohnehin mit Plastik beschichteten Büchern anzuprangern.
Mein Schwager Thomas hat von unserem Experiment bis jetzt nicht allzu viel mitbekommen und hört sich unsere Schilderungen eine Zeit lang ganz interessiert an. Als er erfährt, dass ich außerdem Beiträge für einen Weblog zu diesem Thema schreibe, meint er lachend, ich sei wohl nicht ganz ausgelastet.
Peter reagiert prompt: »Sie hat ja mich! Ich mache inzwischen halt den Haushalt und andere wirklich notwendige Arbeit.« Damit hat er die Lacher auf seiner Seite, und obwohl ich weiß, dass er das nicht wirklich ernst meint, werden durch seine Worte gewisse Zweifel in mir gesät.
Und so bin ich auf der Heimfahrt ziemlich nachdenklich, bis Peter, dem mein ungewohntes Schweigen auffällt, mich fragt, ob alles in Ordnung sei. Da sprudelt es aus mir heraus. Ich hätte Angst, sage ich, dass das Experiment irgendwann unsere Beziehung belasten könnte. Jetzt, wo ich gerade erst zugesagt habe, den Blog weiterzuführen, kämen mir plötzlich Bedenken, das alles zusammen würde vielleicht zu viel. Auch sei mir durch seine Worte erneut klar geworden, wie sehr der Erfolg und das gute Gefühl bei dieser Sache davon abhängen, dass wir sie gemeinsam tragen und vertreten. Ob er eigentlich wirklich weitermachen wolle, will ich wissen.
»Ja, habe ich doch gesagt«, antwortet er ohne Zögern. »Solange es Spaß macht …«
»Und wenn es zu viel wird?«
»Dann lassen wir es bleiben!«
»Und merken wir das rechtzeitig? Ich meine, bevor es in eine Krise ausartet!«
»Klar, deine Laune ist ein eindeutiger Indikator. Wenn es dir gut geht, ist es für den Rest ebenfalls okay.«
Ich fühle mich erleichtert. Wir stehen immer noch zu unserem Ausgangspunkt. Von Anfang an war es schließlich eine Bedingung, dass wir uns mit dem Experiment wohlfühlen. Was Peter gesagt hat, bestätigt im Grunde nur dessen selbst regulierende Eigenschaften. Wenn es uns nicht mehr gut geht, ist eine wesentliche Voraussetzung nicht länger erfüllt, und wir
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