Plattenbaugefühle: Jugendroman
ich ebenso gut erzählen können, dass es niemanden etwas angehe, aber besser fand ich es, offen damit umzugehen. Damit konnte ich potenziellen Angriffen gleich den Wind aus den Segeln nehmen. Ich war nicht erpressbar.«
»Trotzdem mutig …«, werfe ich bewundernd ein.
»Wenn du etwas in der Gesellschaft verändern möchtest, dann solltest du da anfangen, wo du gerade bist. Und der Erfolg gibt mir Recht.«
Er wirft mir einen schrägen Blick zu. Was soll das bedeuten?
»Soll das heißen, dass du keine Probleme mit deinem Schwulsein hast? Nicht bei diesen ganzen Türken und Marokkanern?«
»Nee, also bei den Schülern eher weniger. Kommt mal vor, vor allem am Anfang, aber mit der Zeit hat sich das gelegt. Habe ich Respekt vor ihnen, haben sie Respekt vor mir. Außerdem …« Er schaut uns beide abwechselnd an, »wenn sie es sich mit mir verscherzen, wer lässt sie dann noch in die Sporthalle?« fährt er kichernd fort.
Ich schaue Danny fragend an.
»Aris hat den Hallenschlüssel und geht mit ihnen Fußball spielen. Vor allem mit den Jungs aus unserer Klasse und der Parallelklasse.«
»Es ist schon klar, dass der eine oder der andere ein Problem damit hat. Vor allem bei den Kleineren, aber die Großen …«, er trinkt einen Schluck Kaffee, »die möchten ständig etwas mit mir unternehmen.«
»Ausflüge ins Kino, Schwimmbad undsoweiter«, fügt Danny hinzu.
»Ich mache das gerne. Viele schätzen an mir, dass ich offen und ehrlich bin.«
»Und den einen oder anderen Kranichsteiner magst du besonders!«, stichelt Danny verschmitzt.
»Wie bitte?« fragt Aris entrüstet.
»Na, Afyon!«, sagt Danny lachend.
»Wer oder was ist Iphone? Das Mobiltelefon?« frage ich neugierig. Irgendwie kommt mir der Name bekannt vor.
In diesem Moment klingelt das Telefon.
»Geht mal lieber zurück in den Unterricht, bevor es Ärger gibt«, sagt Aris und läuft zum Telefon.
Danny und ich verbringen die Tage miteinander. Zuerst in der Schule, dann zuhause bei mir. Wir kochen, hängen auf dem Balkon herum, hören Musik, reden, schauen gemeinsam Filme. Es ist so, als würde mein Leben in Berlin, mein bester Freund Fabian, meine zahllosen Nachmittage mit ihm, hier mit einem anderen Gesicht, einer anderen Fassade weitergehen. Die Leute, über die wir reden sind andere, die Dinge, über die wir quatschen, sind die gleichen. Bei allem Glück, das ich mit Danny habe, vermisse ich mein Berlin nach wie vor. Kreuzberg, Neukölln oder die Admiralbrücke am Landwehrkanal, dort treffen sich immer ganz viele junge Leute, die Musik machen, Bier trinken, Jungs und Mädels in meinem Alter, die Französisch, Englisch, Spanisch oder Holländisch sprechen.
»Aris ist cool! Toller Style!« sage ich begeistert zu Danny, als wir wieder im Unterricht sitzen.
Er nickt wissend.
»Und wer ist Iphone, Affyan oder so?«
»Afyon heißt er!« korrigiert mich Danny.
»Passt mal auf ihr beiden! Zuerst kommt ihr ewig zu spät und dann schwatzt ihr die ganze Zeit!« unterbricht uns Hansen leicht genervt in dem Moment, als Danny weiterreden möchte.
Am Freitagabend schleppt mich Danny in den Herrngarten – den größten Park Darmstadts. Dort kriege ich mich nicht mehr ein, als ich die Freunde von ihm kennenlerne, neben ihnen sitze und sie im Ernst Rage-against-the-Machine-CDs in ihren Ghettoblaster stecken und ihnen andächtig zuhören, während sie die Bierflaschen rumgehen lassen. Das ist so merkwürdig: Rage waren einst so etwas wie eine Revoluzzer-Band, damals Anfang der Neunziger, meine Mutter stand auf die, kaufte sich alle Platten, alle T-Shirts, bunte Mützchen und Kettchen von denen – eines Abends spielte sie Fabian und mir sogar ein Konzert auf DVD von ihnen vor und erzählte Anekdoten dazu. Wie sie auf diesem sagenumwobenen Konzert in Paris war, als die Band nackt auf der Bühne stand, um gegen Konsum und Kommerzialisierung der Gesellschaft zu protestieren. Die Freunde von Danny haben auch alle solche witzigen Mützchen und bunten Kettchen und Armbändchen an. Während Danny ganz in schwarz ist, Klamotten und Schuhe, jeden Tag, und schwarze Haare, allerdings anstatt brauner Augen wie unsere Mitschüler grasgrüne Augen.
Irgendwann wird es uns zu kalt, so gehen wir zu Aaron und trinken dort weiter. Wir sitzen im Partykeller seiner Familie, überall gibt es bequeme Sessel und Kissen zum Fläzen, eine kleine Bar, einen Fernseher, sogar eine Disco-Kugel. Die flippige Giovanna, die ganz aufgedreht ist, als hätte sie zu viel Kaffee getrunken,
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