Plattenbaugefühle: Jugendroman
Schwuler, auch noch als offen bekennender sowieso einen schweren Stand habe«, er zuckt mit den Schultern, ich starre ihn an, »es muss an mir vorbeilaufen.«
»Heilige Scheiße! So eine heilige Scheiße!«
»Du musst mit deiner Mutter reden!« Danny sitzt hilflos neben mir auf seiner Lieblingsbank. »Wochenlang habe ich dich versucht aufzurichten, dich aufzumuntern, ich kann nichts verändern. Es liegt an den äußeren Umständen«, sagt er zu mir.
»Scheiß Umstände!«
»Die können wir nicht ändern, du nicht, Afyon nicht und ich am allerwenigsten. Wenn sogar Aris nichts mehr tun kann!«
Beim Eintreten läuten tausend kleine Glöckchen über meinem Kopf, beruhigen meine blanken Nerven, streicheln sanft meine Seele, verlangsamen meine unruhigen Schritte. Dieser Laden ist irgendwie cool, obwohl ich alles andere als esoterisch drauf bin. Möbel und Wände in Weiß gehalten, überall verstreut sind einladende Sitzmöglichkeiten, leuchtende Vitrinen überziehen die gesamte Fläche. Ein weißer Vorhang trennt den Laden von den ›Privaträumen‹, in denen die Beratung stattfindet. Alles andere ist bunt, die Steine, der Schmuck, die Mineralien. Überall hängen kleine Schildchen mit Produktnamen, Erklärungen und Informationen.
Meine Mutter bedient gerade eine ältere Frau, die anscheinend nicht gut hört. Mama verdreht die Augen, wenn sie mich anblickt. Sie redet langsam und laut zu der Dame, die hundert Fragen stellt, und als Belohnung für die zufriedenstellenden Antworten entleert sie fast ihr gesamtes Portemonnaie. Eine Angelegenheit, die Zeit und Geduld benötigt. Meine Mutter - sie trägt wie immer, wenn sie hier arbeitet, weite, geblümte Kleider, ist die Richtige für diesen Job. Als die Kundin endlich den Laden verlässt, falle ich in ihre Arme.
»Was ist los?« fragt sie, ich möchte schreien, doch die Glöckchen melden sich plötzlich hinter mir, vermischt mit Barbaras Stimme: »Der gehört wohl zu dir, oder?«
Afyon steht neben ihr! Ich glaube es einfach nicht. Verstört schaut er sich um, verzweifelt blickt er mich an. Ich laufe mit Wucht auf ihn zu, er lässt sich in meine Arme fallen. Ich erkenne ein Veilchen, Kratzer im Gesicht, Aufschürfungen an den Armen, Tränen in den Augen. Ich drücke ihn ganz fest an mich. Fragen überrollen meine Gedanken.
»Was ist passiert? Wer hat das mit dir gemacht?« ruft empört meine Mutter, zieht Afyon von mir weg und bringt ihn in den Privatraum, während Barbara erzählt, dass er gerade vor dem Laden auf dem Boden gelegen habe in diesen grausamen Zustand, »er fragte mich nach Jonas´ Mutter!« sagt sie – hängt gleichzeitig das ›Geschlossen‹ Schild an die Ladentür – und ruft irritiert: »Wer ist er eigentlich?«.
»Mein Freund, Afyon!« antworte ich hinter dem Vorhang und kann die Augen von ihm nicht abwenden. Er ist wie auf Drogen, unter Schock, zittert und weint.
»Was ist passiert, Afyon?«, meine Mutter setzt ihn auf einen Stuhl, reicht ihm ein Glas Wasser, versucht ihn zu beruhigen, hält seine Hand.
»Dein Freund?« Barbara schaut erstaunt mal ihn und mal mich an, »okay, ihr Lieben, ich will die ganze Geschichte hören«, sagt sie mit ernster Minne und nimmt Platz am Schreibtisch.
Afyon zuckt mit den Schultern, ich bin ganz aufgeregt, er schließt die Augen. Mama und ich reden durcheinander, erzählen Barbara von den ›Umständen‹, das, was ich vor kurzem bei Aris erfahren habe, wir stellen Afyon Fragen, doch er sagt nichts. Er sitzt da und weint.
»So, so«, sagt Barbara nachdenklich, »die Umstände also« und starrt Afyon an. Er scheint verloren in einer fremden Welt zu sein.
»Ich weiß, was wir zu tun haben!« schreit Barbara aufgeregt.
Mama und ich schauen sie erstaunt an.
»Was?« flüstert Afyon neben mir.
Ich kann es selbst kaum glauben, dass meine Mutter »Super!« und »Hurra!« gerufen hat, als sie mit ihrer besten Freundin den ›Plan‹ in ihrem Laden organisierte.
»Das ist ja alles wie in einem Film!« Fabian ist am Telefon beeindruckt, spät am gleichen Nachmitag, als er von Barbaras Idee hört.
»So fühle ich mich tatsächlich auch!«
»Ob das klappen wird?« fragt Fabi und ich muss gestehen, dass ich Angst habe. Angst um Afyons Leben.
»Es ist gefährlich, ich weiß« flüstere ich ins Telefon und suche verzweifelt nach Wuffi im Zimmer, der irgendwie verschwunden ist.
»Die zwei müssen ja wirklich dran glauben!« spricht Fabian und mir kommen die Bilder der Begeisterung hoch, wie die Augen der Frauen
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