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Plattenbaugefühle: Jugendroman

Plattenbaugefühle: Jugendroman

Titel: Plattenbaugefühle: Jugendroman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jannis Plastargias
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leuchteten, als sie alle Angaben, Uhrzeiten und Tage auf Papier festhielten, über alle möglichen Auswirkungen nachdachten.
    »Endlich können sie die Welt verändern«, sage ich belustigt und gleichzeitig ängstlich, »auch wenn es erst einmal nur ein einziger muslimischer Junge ist.«

    »Papa ist nach Barcelona gereist«, sagt meine Mutter verschwörerisch, als ich mit ihr beim Abendessen sitze.
    »Gut«, entgegne ich und starre auf Papas leeren Platz.
    »Ja, wirklich gut!«
    Sie greift nach dem Teller mit dem Tomatensalat, ihr Gesicht ist mir heute fremd, das ist nicht meine Mutter, diese Frau, die da genießerisch neben mir isst, gleicht fast einer Terroristin, die einen Auftrag bekommen hat, wie im Film ›Baader Meinhof Komplex‹, der gerade im Kino in Darmstadt läuft – und in dem, wie meine Mutter sagte, nachdem sie ihn mit meinem Vater angesehen hatte, auch eine kurze Sequenz in unserer neuen Heimat zu sehen ist. Sie könnte eine der engagierten Frauen sein. Nur etwas gewaltfreier.
    »Wir retten ihn!« sagt sie selbstsicher und beißt kräftig in ihr Vollkornbrot hinein.
    »Wieso möchtest du das alles tun?«, frage ich laut, »und, uns alle so in Gefahr bringen, Mama?«
    »Ich sag dir was, Jonas!« Ihre Augen durchdringen mich wie kalter Regenguss. »Zu Uni-Zeiten haben Barbara und ich noch ganz andere Dinger gedreht!«, sie kramt in ihren Gedanken, lächelt vor sich hin. Ich habe Angst.
    »Der erste Verdacht liegt doch bei uns, bei mir.« Meine Stimme zittert – wäre doch Papa hier, wünscht sich eine logische Stimme in mir – sie taucht das Brot in das Olivenöl, »die werden uns alle umbringen, zumindest mich!« flüstere ich und kann keinen einzigen Bissen runterkriegen.
    »Barbara hat mir die Karten gelegt.«
    »Mama!«
    »Es wird alles gut gehen!«
    Sie ist so sicher, so unbegreiflich locker.
    »Ich weiß, dass du derjenige bist, der sich die meisten Sorgen von uns allen macht, und ich liebe dich dafür, mein Sohnemann, aber dein Freund muss aus dieser Familie raus!«
    Sohnemann? Wie redet sie mit mir?
    »Mama …« Ich möchte protestieren, möchte sie anschreien.
    »Afyon möchte es«, sie schaut mich an, als wäre sie Ulrike Meinhof, nur nicht ganz so wahnsinnig, »du hast es selbst mitgekriegt!«
    »Afyon hat doch immer nur genickt! Afyon kann doch keinen Satz artikulieren!« schreie ich.
    »Jonas!« sie ist empört, »wie redest du über deinen Freund?«
    »Mama!«
    »Ist doch wahr!« Sie legt das Messer auf den Tellerrand. Sie schaut mich an. »Wir haben alles durchgesprochen. Der Plan steht!« Sie ist voll auf ihren ›Auftrag‹ konzentriert, erklärt mir alle Einzelheiten. »Jonas! Es geht um Afyon!« Sie spricht seinen Namen so, als wäre er eine Figur in einem englischen Agentenfilm.
    »Papa wird uns fertig machen!«
    »Bis der aus Barcelona zurück ist, ist doch alles schon in trockenen Tüchern.«
    Das hört sich verrückt an, so verrückt, dass es klappen könnte.
    »Wir drehen doch gerade keinen Film oder so etwas, Mama!«
    »Ach, Jonas. Barbara und ich machen das. Okay? Wir regeln das gemeinsam mit Onkel Klaus und der Omama – du wirst schon sehen!«
    Meine Mama ist wirklich verrückt geworden. Sie hat eine unterdrückte Minderheit gefunden, einen ›kleinen türkischen schwulen Jungen‹ – »da muss etwas getan werden!« hatte sie wie eine Furie im Laden gerufen, das kann sie nicht auf sich sitzen lassen. Das darf es nicht geben, nicht heute, nicht in ihrem Umfeld. Und obwohl ich finde, dass es eine undurchdachte Schnapsidee ist, gebe ich nach, so wie auch Afyon alles abgenickt hat, als meine Mutter und Barbara auf ihn eingeredet haben. Ich bin mir gar nicht sicher, ob er überhaupt verstanden hat, was sie da tun möchten. Sie werden ihn entführen!

VOR 8 TAGEN UND NÄCHTEN … KRIMI
    D ie letzten wärmenden Sonnenstrahlen des Spätsommers scheinen auf uns, ich sitze im Englischen Garten mit meinen Cousinen Anna und Elisa. Ich fühle mich wohl hier in München, obwohl ich ständig an Afyon denken muss. Mit ihm hier an meiner Seite wäre es schöner. Ich bin aufgeregt und hoffe, dass alles gut geht. ›Er sitzt in Barbaras Auto und wird nach Frankfurt gefahren‹. Gerade eben hat mir meine crazy Mum diese SMS geschrieben.
    Meine Cousinen sehen wie typische Großstädterinnen aus. Markenklamotten, gerne bunt, figurbetont, keine allzu weiten Ausschnitte, verrückte Accessoires im achtziger Style, ein riesengroßer pastellfarbener Gürtel, Leggins unter dem langen T-Shirt, was

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