Plattenbaugefühle: Jugendroman
vielleicht ist es ja ganz gut, wenn ich mich mit ihm treffe. Vielleicht ist es ganz gut«, und der letzte Traum tanzt vor meinen Augen herum.
Er sieht ihm ähnlich, sehr ähnlich sogar, aber er bewegt sich anders, hat keine Fußball-Trikots an und ist auch nicht nackt. Er redet auch ganz anders, er redet viel. Obwohl wir im Kino sind und uns einen Film anschauen, erzählt er mir Dinge über den Regisseur, der habe schon fünf Oscars bekommen, es sei sein neuester Film, die Schauspieler haben Rekord-Gagen bekommen, die Tricktechniker seien aus Japan, die Maskenbildner aus China eingeflogen. Dieser Redeschwall hört lange Zeit nicht auf, bis er mir plötzlich in die Augen blickt und verwundert anmerkt, dass ich ja gar nichts sage.. Er küsst mich. Es ist nicht Afyon.
Wir haben uns in einem amerikanischen Café in der Nähe des Stacchus verabredet, dass sogar ich als Ortsfremder gut finden kann. Als ich es betrete, erkenne ich ihn sofort an seinem grünen Polohemd – und falle fast in Ohnmacht: Dieser Junge ist der Junge aus meinem letzten Traum – und wenn ich es mir genau überlege, könnte er auch in allen meinen bisherigen Träumen derjenige welcher gewesen sein – er gleicht Afyon wie ein Zwilling. Die gleiche Frisur, die gleichen langen, wunderschönen Wimpern, die gleichen großen Augen, allerdings sind die von Paul in einem moosigen Grün – identisch mit der Farbe seines Oberteils – während Afyon braunäugig ist. Seine Haut ist etwas blasser, er sieht nicht ganz so orientalisch aus wie mein türkischer Freund. Die gleiche Statur, der gleiche Blick, wenn er mich anlächelt. Das kann doch nicht sein! Verdammt! Das kann doch überhaupt nicht möglich sein! Eine Soap Opera! Und jetzt? Er bemerkt meinen Blick.
»Hey, Jonas, alles klar mit dir? Hast du einen Geist gesehen?«
»Ja, quasi.«
»Ich bin doch kein Geist!« lacht er auf.
»Nun, wie man es nimmt.«
»Wie meinst du das, Jonas?«
»Du siehst meinem Freund …«
»Zum Verwechseln ähnlich. Ich weiß! Hat mir Elisa schon berichtet. Deswegen wollte ich dich erst nicht treffen. Ich dachte, sie möchte mich auf eine sehr verquere Art und Weise mit dir verkuppeln und dich von deinem Freund entkuppeln … warum auch immer.«
Der ist ja nett. Dem geht es ja genauso wie mir. Ich bin immer noch verwirrt bei seinem Anblick. Er lächelt. Ich lächle.
Paul erzählt so viele Sachen über das ›schwule Leben‹, die ich unglaublich finde, die gar nicht sein können, aber offenbar wahr sind. Von einem Chatforum für Schwule. Einerseits, meint Paul, ist diese Plattform gut für diejenigen, die nicht offen zu ihrer Sexualität stehen können oder dürfen. So können sie andere schwule Jungs oder Männer kennenlernen, mit möglichst wenig Gefahr. Andererseits benutzen die meisten Schwulen das Portal nur als einen Ort, um Sex-Dates auszumachen, nicht mehr und nicht weniger. »Und alle behaupten, dass sie den Mann fürs Leben kennenlernen wollen«, er schmunzelt und sagt, dass am Ende alle nur Sex haben wollen. Er erzählt von Parks, in denen sich Männer treffen, um einfachen, schnellen Sex miteinander zu haben, von so genannten ›Klappen‹, öffentlichen Toiletten, wo man sich trifft, von Saunen nur für Schwule, von ›Dark Rooms‹, die ich mir nicht vorstellen kann und mir auch gar nicht erst vorstellen möchte. Denn in dieser Dunkelheit der Räume verbergen sich Männer, die es miteinander treiben, ohne zu wissen, wer der andere ist, wie der andere aussieht.
Ich schüttle den Kopf, frage ihn mehrmals, ob das alles wahr ist, und ob er da auch schon Erfahrungen gesammelt habe.
»Was glaubst du?« sagt er neckisch und blinzelt mich an.
»Das alles?« frage ich ihn total verwirrt.
»Ach, Gott, nein, Jonas, manches davon habe ich mir angeschaut, manches davon auch ausprobiert, teilweise mit meinem Freund, und manches kenne ich nur aus Erzählungen von Kumpels.«
Ich schaue ihn an, neugierig, aber auch irritiert.
»Natürlich willst du wissen, womit ich mich besonders gut auskenne, was?«
Paul lacht herzlich. Hey! Flirtet er mit mir? Ich ertappe mich dabei, dass mir das gefällt. Ja, verdammt, ich möchte, dass er mit mir flirtet. Doch dann bekomme ich ein schlechtes Gewissen.
»Nein, nein, Paul«, sage ich prompt, »ich möchte lieber erfahren, wie es bei dir in der Beziehung gelaufen ist, ob du Tipps für mich und Afyon hast.«
»Tipps? Ich? Sicher nicht. Ich bin sehr enttäuscht worden.«
Und dann erzählt er von den sehr verschiedenen
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