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Konsumverhaltenssoziologe. Er hatte recht, als er sagte, daß die Zeit der Strandflitzer endgültig vorbei ist.«
Jean-Yves trank seinen Kaffee aus und schüttelte bitter den Kopf. »Also so was...«, sagte er angewidert, »ich hätte wirklich nie gedacht, daß ich mich eines Tages nach den Zeiten der Strandflitzer zurücksehnen würde.«
Um an den Strand zu gelangen, mußten wir dem Ansturm einiger fliegender Händler standhalten, die ziemlich miese einheimische kunstgewerbliche Produkte anboten; aber es war erträglich, sie waren nicht allzu zahlreich und nicht allzu aufdringlich, man konnte sie mit einem Lächeln und einer betrübten Handbewegung loswerden. Tagsüber hatten die Kubaner das Recht, den Strand des Clubs zu betreten. »Sie haben nicht viel anzubieten oder zu verkaufen«, erklärte mir Valérie, »aber sie versuchen es eben, sie tun, was sie können.« Anscheinend konnte niemand in diesem Land von seinem Monatslohn leben. Nichts funktionierte hier wirklich: Es fehlte an Benzin für die Motoren, an Ersatzteilen für die Maschinen. Daher dieser Eindruck einer Agrarutopie, der sich aufdrängte, wenn man aufs Land fuhr: Bauern, die mit Ochsen pflügten und mit Pferdewagen fuhren ... Aber es handelte sich nicht um eine Utopie und auch nicht um einen ökologischen Wiederaufbau: Es war die Realität eines Landes, das sich nicht mehr auf dem Niveau des industriellen Zeitalters halten konnte. Kuba war noch imstande, ein paar landwirtschaftliche Produkte wie Kaffee, Kakao und Zuckerrohr auszuführen; aber die industrielle Produktion war praktisch auf Null zurückgegangen. Man hatte Mühe, die
einfachsten Konsumgüter wie Seife, Papier oder Kugelschreiber zu finden. Die einzigen Geschäfte mit reichhaltigem Warenangebot waren jene, die Importartikel verkauften und in denen man in Dollar bezahlen mußte. Alle Kubaner überlebten daher dank einer Nebenbeschäftigung, die mit dem Tourismus verbunden war. Am meisten begünstigt waren jene, die direkt für die Tourismusindustrie arbeiteten; die anderen versuchten durch Dienstleistungen im Umkreis des Tourismus oder durch Schwarzhandel irgendwie an Devisen zu kommen.
Ich legte mich in den Sand, um nachzudenken. Die braun gebrannten Männer und Frauen, die zwischen den Touristenschwärmen hin und her liefen, betrachteten uns ausschließlich als wandelnde Brieftaschen, da sollte man sich nichts vormachen; aber das war in allen Ländern der Dritten Welt das gleiche. Das Besondere an Kuba war diese unbegreifliche Schwierigkeit mit der industriellen Produktion. Ich selbst war total inkompetent auf diesem Gebiet. Ich war völlig dem Zeitalter der Information, einer Luftblase also, angepaßt. Valérie und Jean-Yves konnten - ähnlich wie ich - lediglich mit Informationen und Kapital umgehen; sie benutzten sie auf kluge und wettbewerbsfähige Weise, während ich es auf routinierte, bürokratische Weise tat. Aber keiner von uns dreien und auch niemand, den ich kannte, wäre zum Beispiel im Fall einer Blockade durch eine ausländische Macht imstande, für die Wiederbelebung der industriellen Produktion zu sorgen. Wir hatten keine Ahnung von Metallgießerei, der maschinellen Fertigung von Einzelteilen, vom Thermoformen von Kunststoff. Ganz zu schweigen von neueren Gegenständen wie Glasfasern oder Mikroprozessoren. Wir lebten in einer Welt aus Gegenständen, deren Herstellung, Möglichkeitsbedingungen und Seinsweise uns völlig fremd waren. Erschrocken über diese Erkenntnis blickte ich mich um: Ich sah ein Handtuch, eine Sonnenbrille, Sonnencreme und ein Taschenbuch von Milan Kundera. Papier, Baumwolle, Glas: Alles Dinge, die hochentwickelte Maschinen, kom
plexe Herstellungssysteme erforderten. Ich war zum Beispiel unfähig, den Fabrikationsprozeß von Valeries Badeanzug zu begreifen: Er bestand zu 80 % aus Latex, zu 20 % aus Polyurethan. Ich schob zwei Finger unter das Oberteil: Unter der Verflechtung industrieller Fasern spürte ich das lebendige Fleisch. Ich schob die Finger etwas weiter, spürte, wie sich ihre Brustwarze verhärtete. Das war etwas, was ich tun konnte, was ich zu tun verstand. Die Sonne wurde allmählich sengend heiß. Als wir im Wasser waren, zog Valérie ihr Bikinihöschen aus. Sie schlang die Beine um meine Taille und ließ sich mit dem Rücken auf die Wasseroberfläche gleiten. Ihre Möse war schon offen. Ich drang sanft in sie, bewegte mich im Rhythmus der Wellen in ihr hin und her. Es gab keine andere Möglichkeit. Kurz vor dem
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