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Platzhirsch: Ein Alpen-Krimi (German Edition)

Platzhirsch: Ein Alpen-Krimi (German Edition)

Titel: Platzhirsch: Ein Alpen-Krimi (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicola Förg
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hätten, eine Nacht mit ihm zu verbringen. Die sich aufgestylt hätten, eingedieselt und rote transparente Unterwäsche getragen hätten. Sie hingegen trug einen Sport-BH und eine Unterhose, die nicht mal dazu passte.
    Aber als sie auf sein Bett sanken und sie begann, mit dem Finger auf seiner Brust Linien zu malen, war es gut so. Sie spielte in seinem weißen Brusthaar, das er nicht mochte. Er begann ihre Brustwarzen zu umkreisen, immer noch wie zufällig, gar nicht zielgerichtet. Irmi legte ein Bein über seine Hüfte, auch das war gut so …
    Sie hatten nie wilde Turnübungen veranstaltet, mit Gummispielzeug oder Fesseln nachgeholfen. So etwas brauchten sie nicht, denn die Natur hatte es durchaus gut mit ihm gemeint, ziemlich gut sogar … Seine Finger spielten Etüden auf ihrer Brust, bis sich ein starkes Gefühl in ihr ausbreitete, alles überflutete, bis sie zurücksank und lächelte.
    Hinterher lagen sie still da. Was dachte der Mond da draußen? Wieso hatte er so weiche Haut am Oberschenkel und so schöne Muskeln? Durfte man vor Glück weinen? Was könnte man nur tun, um den Zauber des Augenblicks länger zu konservieren? Wie spät war es? Ob Bernhard die Kater gefüttert hatte? Sie kam zurück – in die Realität ihres Lebens.
    »Irgendwie ist mir ganz flau.« Irmi hatte sich aufgerichtet.
    »Verständlich, nach so einem langweiligen Geschichtsvortrag.« Er lachte.
    »Es war weniger der Vortrag.« Irmi lächelte ihn an. »Aber ich bin so was nicht mehr gewohnt.«
    »So was?«
    »Depp!« Sie warf ein Kissen nach ihm.
    Er hatte Mineralwasser eingeschenkt und von irgendwoher ein paar Erdnüsse gezaubert. »Bringt verbrauchte Energie zurück.«
    Um kurz vor zwei meldete sich aus einer Ecke von Irmis Gehirn die Pflicht. Ihre Ratio sagte ihr, dass sie bald fahren müsse, um noch einige wenige Stunden Schlaf zu bekommen. Weil sie morgen präsent sein musste.
    Offenbar waren ihr ihre Gedanken anzusehen, denn er sagte: »Du willst noch fahren, oder?«
    »Ach verdammt! Ich würde …«
    »Du würdest lieber jetzt, wo du noch wach bist, losfahren und ein paar Stündchen im eigenen Bett schlafen. Ich weiß.«
    Irmi konnte nicht einschätzen, ob ihm das wehtat, ob er sich über die Jahre in genau diese Abläufe gefügt hatte. Ob er sauer war?
    Er begleitete sie bis zum Auto. Küsste sie auf die Stirn. »Ich ruf dich von Rovereto aus an. Vielleicht treffen wir uns ja noch mal auf meinem Rückweg?«
    »Ja, das wäre schön«, sagte Irmi.
    Dann fuhr sie in die Nacht hinaus. Schon in Maurach fühlte sie sich hundeelend. Warum war sie nicht geblieben? Weil sie wusste, dass der Genuss von Zweisamkeit sie schwach und labil machte.
    Sie erinnerte sich an Schloß Gripsholm von Tucholsky, das er ihr im Englischen Garten in München vorgelesen hatte. Damals hatte er sie gewarnt. Hatte gesagt, dass er als Partner eine Katastrophe sei. Dass sie Glück habe, nur seine Sonnenseite zu kennen. Sonnenseite, Schokoladenansicht, Urlaubsmann?
    Irmi war darauf eingestiegen, hatte behauptet, sie könne nicht kochen, werde nie wieder den Fehler einer Heirat begehen, wolle keine Kinder, sei unordentlich und fordere von einem Mann, dass er sie so nehme, wie sie sei: grenzenlos unabhängig! Es stimmte, sie hatte genug Geld, brauchte keinen Versorger und keinen strahlenden Olymp, an dessen Seite sie mitstrahlen konnte. Sie musste keinen Mann antreiben, Karriere zu machen, weil sie selber beruflich erfolgreich war. Und doch spürte sie, wie gut es ihr tat, Zeit mit ihm zu verbringen. Sich fallen zu lassen, alles andere für einen kurzen Moment zu vergessen, bevor sie die Realität wieder einholte.
    Als Irmi um vier Uhr morgens endlich zu Hause im Bett lag – nicht ohne vorher zwei tief gekränkte Kater gefüttert zu haben, die Bernhard natürlich vergessen hatte, er hatte ja nicht mal den Anrufbeantworter abgehört –, dachte sie, dass alles eigentlich ganz gut so war, wie es war.

9
    Januar 1937
    Es ist so viel geschehen. Ich will damit beginnen, wie ich in Innsbruck aus der Eisenbahn gestiegen bin. Mir war Reutte schon sehr groß erschienen, aber hier waren die Häuser viel größer, und ein ganzes Gewirr aus Gassen lag vor mir. Ich fürchtete mich. Der Wind wisperte um die Hausecken, die Menschen liefen so schnell umher.
    Ziellos ging ich durch die Stadt. Längst war es dunkel geworden. Mir war sehr blümerant, und ich war so müde. Ich hatte lange in der Hofkirche gesessen. Dort befand sich das Grab von Maximilian, und ein Mann erklärte mir,

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