Plötzlich durch Gewalt
Mann, was so Proteine für einen tun
können!
Bei der zweiten Tasse Kaffee
schlug ich die Zeitung auf, und als ich die dritte halb ausgetrunken hatte,
stieß ich auf dem unteren Teil der Seite vierzehn auf eine halbspaltige Meldung
mit der Überschrift: >Leiche im East River gefunden<.
Ich las sie sorgfältig durch.
Die Polizei hatte die Leiche noch nicht identifiziert, aber selbstverständlich
handelte es sich um Joey Benard, Lakemans früheren
Chauffeur. Als wir uns das erste Mal begegneten, war er aus jenem Schrank auf
mich gefallen, ohne daß er sich vorher auch nur vorstellte. Der Mann sei
totgeschossen worden, stand in der Meldung, und die ballistische Abteilung
hatte festgestellt, daß die Mordwaffe eine italienische Beretta =Pistole
vom Kaliber 25 gewesen war. Die Ermittlungen würden noch fortgesetzt.
Was untergeht, muß wieder
auftauchen, sagten sie in den guten alten Tagen immer in Chikago und erfanden darum die Mode, die Füße eines Burschen in einem fünf Zentner
schweren Block Zement einzupacken. Jerry Thurston hatte dazu vielleicht nicht die Energie gehabt — oder den Zement.
Ich duschte, hielt dabei meinen
Kopf dem Strahl der Brause fern, rasierte mich und zog mich an; eines Tages
werde ich die Reihenfolge ändern — mich erst anziehen und am Schluß duschen.
Dann ging ich wieder in den Regen hinaus.
Ich brauchte eine Pistole. Ein
Privatdetektiv ohne eine Waffe riskiert lediglich, mit blauen Augen auf einer
Marmorplatte in der Leichenhalle zu landen. Er riskiert fast das gleiche auch
mit einer Waffe.
Aber man kann ja schließlich
nicht alles so haben, wie man will.
Leutnant Shields würde mir
meine Magnum zurückgeben, sobald er dazu in der Lage sein würde; davon war ich
überzeugt. Das heißt, so lange wie ich nicht unter Mordanklage gestellt wurde.
Doch wie lange das dauern würde, konnte niemand ahnen. Inzwischen erschien es
mir sinnlos, eine neue Magnum zu kaufen und vermutlich eines Tages mit zwei
gleichen Waffen in der obersten Schreibtischschublade dazusitzen.
Stärker und wirkungsvoller als
die Magnum ist nur noch eine Vierundvierziger , und
die eignet sich wunderbar für die Großwildjagd. Doch wie oft hat man schon
Gelegenheit, auf der 42 nd Street Warzenschweine zu schießen? Darum
entschloß ich mich für eine achtunddreißiger Smith and Wesson Masterpiece Special.
Als ich mir die Waffe gekauft hatte, regnete es nicht
mehr, und eine wenigstens halbwegs barmherzige Sonne trocknete die Gehsteige.
Vermutlich war es der Wetterwechsel, denn sofort ergriff mich dieser plötzliche
Drang, der den geborenen New Yorker jederzeit überfallen und dann nicht
unterdrückt werden kann. Die Verlockung des Abenteuers, zu erforschen, zu
reisen, das unbeherrschbare Bedürfnis, die von Menschen geschaffene Welt
Manhattans zu verlassen und selbst zu sehen, was hinter den letzten
Wolkenkratzern liegt. Mann! Neue Horizonte zu erreichen und neue Welten zu
erobern, das war das, was ich brauchte.
Ich stieg in den Wagen, und
ohne ein zweites Mai zu überlegen, fuhr ich geradewegs über die George
Washington Bridge und direkt nach New Jersey.
Die Fabrik der Masters Drogen
Companie bedeckte genügend Gelände, um Eindruck zu machen, und ihr neues
Bürogebäude wirkte noch imposanter, weil es gedrungen und sauberer als das
übrige war. Vom Pförtner bis zu Masters Privatsekretärin brauchte ich ganze
fünfundzwanzig Minuten harter Arbeit. Aber es lohnte sich.
Die Privatsekretärin war ein
Rotkopf mit graugrünen Augen, in denen vielleicht einmal der Ausdruck
heimlicher Überraschung gelegen hatte, der jetzt aber in ihren frühen
Zwanzigerjahren zu geheimer Belustigung gereift war. Die Strenge ihres Gesichts
wurde von ihren vollen sinnlichen Lippen Lügen gestraft.
Sie trug eine schlichte,
einfach geschnittene schwarze Bluse und einen olivfarbenen engen Rock. Es war
genau die richtige Bekleidung, die eine weibliche rechte Hand im Büro tragen
sollte; aber an ihr wirkte sie wie ein Haremskostüm für lange leidenschaftliche
Nächte, bei denen türkischer Kaffee serviert wurde. Ich nehme an, daß alles,
was sie trug, an ihr genau so wirkte. Die Verachtung ihrer Kurven für Kleider
entsprach etwa der Verachtung, die ich gegenüber den Postbestimmungen über die
Beförderung französischer Postkarten empfand.
Ich stand da und betrachtete
sie für vielleicht zehn Sekunden mit vor Bewunderung offenstehendem Mund. Dann
sagte ich mit belegter Stimme: »Donnerwetter. Haben Sie das alles durch Pillen,
oder
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