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Ploetzlich Fee 04 - Frühlingsnacht

Ploetzlich Fee 04 - Frühlingsnacht

Titel: Ploetzlich Fee 04 - Frühlingsnacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julie Kagawa
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Prüfung
    »Es ist Zeit.«
    Die Stimme des Wächters durchbrach die Stille. Ruckartig drehte ich mich zu der verhüllten Gestalt um, die mitten im Zimmer stand. Sie hielt ihren Stab gepackt und schien mich aus dem Dunkel der Kapuze heraus erwartungsvoll zu mustern. Die Zimmertür war geschlossen.
    »Bist du bereit?«, fragte der Wächter ohne lange Vorrede. Ich holte tief Luft und nickte.
    »Dann komm.«
    Vor meiner Zimmertür warteten Puck und Ariella. Gemeinsam folgten wir dem Wächter durch die weitläufigen Korridore des Schlosses bis zu einem schneebedeckten Garten. An den mit Frost überzogenen Bäumen hingen Eiszapfen und das Wasser in dem Springbrunnen, der in der Mitte des Gartens stand, war gefroren. Die Szenerie erinnerte mich an zuhause, an den Winterhof, doch diesen Gedanken verdrängte ich schnell. Tir Na Nog war nicht länger meine Heimat.
    Am anderen Ende einer Brücke, die sich über das Nichts spannte, ragte ein zerklüfteter Fels auf. Sein Gipfel war so hoch, dass er in Nebel gehüllt war. Im kalten Licht der Sterne funkelten eisige Felswände, die glatt, scharfkantig und tückisch aussahen.
    Der Wächter drehte sich zu mir um. »Nun beginnt deine erste Prüfung. Von jetzt an musst du allein weitergehen. Bist du gerüstet?«
    »Ja.«
    Die Kapuze senkte sich zu einem knappen Nicken. »Dann sehen wir uns auf dem Gipfel.« Der Wächter verschwand. Schweigend starrten wir auf den Berg.
    »Tja.« Puck stemmte die Hände in die Hüften und musterte die hoch aufragenden Felswände. »Einen Berg zu besteigen ist jetzt keine sooo schwere Prüfung.«
    Ariella schüttelte zweifelnd den Kopf. »Das kann nicht alles sein.« Mit einem besorgten Blick ermahnte sie mich: »Sei vorsichtig, Ash.«
    Auch ich musterte den Berg – das erste Hindernis, das zwischen mir und einer Seele stand. Entschlossen ballte ich die Fäuste und lächelte.
    »Ich bin bald zurück«, murmelte ich, dann rannte ich über die Brücke. Mit einem Satz landete ich am Fuß der ersten Felswand und begann den Aufstieg.
    Ich zog mich auf einen schmalen Sims, lehnte mich an den Fels und versuchte, wieder zu Atem zu kommen. Ich wusste nicht, wie lange ich hier schon geklettert war, aber es kam mir vor wie mehrere Tage. Und noch immer war der Gipfel ein gutes Stück entfernt.
    Das Schloss unter mir wirkte lächerlich klein, wie ein Kinderspielzeug, auch wenn es in Wirklichkeit riesig war. Es hatte sich herausgestellt, dass dieser Berg tückischer und schwieriger zu besteigen war, als ich angenommen hatte. Die zerklüfteten schwarzen Felsen waren an manchen Stellen so scharf wie Messerklingen, und meine angeborenen Fähigkeiten als Winterfee nutzten mir bei diesem Eis überhaupt nichts. Noch nie war ich auf Eis ins Rutschen geraten oder gestürzt, doch hier war alles anders. Meine Hände waren inzwischen zerschnitten und aufgerissen, und wenn ich mich an den Felsen festhielt, um nicht das Gleichgewicht zu verlieren, hinterließ ich blutige Abdrücke.
    Zitternd rieb ich mir die Arme. Zu allem Übel war es hier oben so eiskalt, dass ich das erste Mal in meinem Leben fror – was für mich ein echter Schock war. Das Gefühl war mir so fremd, dass ich anfangs gar nicht begriff, was es war. Meine Zähne schlugen unkontrolliert aufeinander und ich schlang die Arme um den Körper; zum allerersten Mal versuchte ich, Körperwärme zu speichern. So erging es also den Sterblichen und den Sommerfeen, wenn sie das Reich der Dunklen betraten. Und ich hatte mich immer gefragt, warum sie sich im Winterpalast so gar nicht wohlzufühlen schienen. Jetzt kannte ich den Grund.
    Ich ließ die Zunge über meine trockenen, rissigen Lippen gleiten, stemmte mich auf die Füße und sah hoch zum Gipfel; er war immer noch in so weiter Ferne. Ich begann wieder zu klettern.
    Ein zerklüfteter Felsen nach dem anderen tauchte vor mir auf. Mir kam jedes Zeitgefühl abhanden. Die Kälte ließ meine Glieder schwerfällig und taub werden, ich verlor immer mehr Blut. Irgendwann schwand jeder klare Gedanke, mein Körper bewegte sich von allein, ganz automatisch setzte ich einen Fuß vor den anderen. Völlig erschöpft, blutend und zitternd vor Kälte zog ich mich schließlich auf einen weiteren Felsvorsprung und stellte fest, dass über mir keine Felswand mehr war. Vor mir lag ein eisbedecktes Felsplateau. Ich hatte endlich den Gipfel erreicht.
    Der Wächter erwartete mich geduldig und reglos in der Mitte des Plateaus. Keuchend richtete ich mich auf und ging zu ihm. Dabei versuchte ich

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