Ploetzlich Fee 04 - Frühlingsnacht
spürte, wie sich Zähne in meinen Arm bohrten, wie Klauen meinen Bauch aufschlitzten. Mir wurde das Fleisch von den Knochen gerissen und mein Blut spritzte wie feiner Nebel in die Luft, bevor es in dicken Strömen über den Boden floss. Ich versuchte aufzustehen, wollte mich ihnen stellen, wollte leben, doch der Schmerz legte sich wie ein rötlich schwarzer Schleier über meine Augen und ich versank in Dunkelheit.
Und dann war es vorbei. Ich lag unversehrt auf dem kalten Steinboden des Schlosses und der Wächter blickte auf mich herab. Aus dem Augenwinkel sah ich Puck und Ariella, die mich besorgt musterten, doch die Schmerzen, die sich bis in den letzten Winkel meines Körpers ausgebreitet hatten, machten es mir schwer, die Dinge klar zu sehen.
»Ich habe versagt.« Die bitteren Worte drückten wie ein schweres Gewicht auf meine Brust und drohten, mich zu zerquetschen. Doch der Wächter schüttelte den in der Kapuze verborgenen Kopf.
»Nein. Es war niemals vorgesehen, dass du das überlebst, Ritter. Egal, wie viele von ihnen du getötet hättest, es wären immer mehr nachgekommen. Egal, was du getan oder wie lange du dich ihnen widersetzt hättest, am Ende hätten sie dich in Stücke gerissen.«
Ich wollte nach dem Warum fragen. Warum ich verschont worden war. Warum ich noch nicht tot war. Doch neben dem Schmerz, der Verwirrung und dem Schock, noch am Leben zu sein, musste mein Verstand noch so viel anderes verkraften: Wie seltsam mein eigener Körper sich angefühlt hatte, wie schwach und fremd er plötzlich gewesen war, wie er überhaupt nicht funktioniert hatte, wie er eigentlich sollte. Die brennenden Schmerzen, diese vernichtende Qual, die ich nicht wie sonst einfach hatte ausblenden können. Und das Schlimmste von allem – die absolute Leere, die sich in mir aufgetan hatte, als ich versuchte, meine Magie anzuwenden.
»So empfindet ein sterblicher Körper«, erklärte der Wächter, als hätte er meine Gedanken gelesen. »Für einen Menschen ist es physiologisch unmöglich, sich so zu bewegen, wie du es tust. Ihre Körper sind schwerfällig und ermüden leicht. Sie sind empfindlich gegen Kälte, Schwäche und Schmerz. Sie können keinerlei Magie zu Hilfe nehmen. Alles in allem sind sie ziemlich unscheinbar. Deine übermenschliche Kraft ist das Erste, was du aufgeben musst, wenn du eine Seele erringen möchtest.«
Der Wächter ließ mir etwas Zeit, um diese Erkenntnis zu verinnerlichen. Mir fehlte die Kraft zu jedweder Reaktion, keuchend lag ich auf dem Boden, während mein Verstand sich noch immer von dem Schock zu erholen suchte, dass mein Körper in Stücke gerissen worden war. »Die erste Prüfung ist vorüber«, verkündete der Wächter dann. »Wappne dich, Ritter. Die zweite Prüfung beginnt im Morgengrauen.«
Sobald er verschwunden war, stürmte Ariella vor und kniete sich neben mich. »Kannst du aufstehen?«
Mühsam versuchte ich, mich aufzurichten. Die Verletzungen waren verschwunden und ich lebte noch, doch in meinem Körper wütete noch immer der Schmerz. Ich ließ mich von ihr auf die Füße ziehen und biss die Zähne zusammen, um nicht qualvoll aufzustöhnen. »Mir war nicht bewusst, wie … verletzbar die Menschen sind.«
Puck kam nun ebenfalls zu mir, und es gelang ihm nicht ganz, seine Besorgnis zu verbergen. »Tja, das hätte ich dir sagen können. Obwohl manche stärker sind als andere. Oder vielleicht einfach nur dickköpfiger.« Er verschränkte die Arme vor der Brust und musterte mich abschätzend. »Alles klar, Eisbubi?«
Ich antwortete nicht. Ohne auf Ariella zu achten, die mir helfend den Arm entgegenstreckte, humpelte ich durch die langen Flure zu meinem Zimmer. Die beiden folgten mir schweigend, hielten allerdings Abstand, und ich drehte mich nicht nach ihnen um. Mehr als einmal wäre ich fast gestürzt, doch ich zwang mich, ohne Hilfe weiterzugehen.
In meinem Zimmer ließ ich mich mit dem Gesicht voraus aufs Bett sinken und verfluchte meinen seltsamen, fremden Körper und seine Schwäche.
Wie soll ich sie in diesem Zustand beschützen? Wie soll ich so irgendjemanden beschützen?
Puck und Ariella blieben verunsichert im Türrahmen stehen. Einem Teil von mir war es zuwider, dass sie mich so schwach und hilflos erlebten, und am liebsten hätte ich sie gebeten, zu verschwinden. Doch während meines gesamten Lebens hatte ich andere stets weggestoßen und mich von der Welt und allen, die mich umgaben, abgekapselt. Und trotz meiner Versuche, meine Empfindungen in Kälte zu
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