Ploetzlich Fee 04 - Frühlingsnacht
ersticken, hatte mir das nur noch mehr Schmerz eingebracht. Genau deswegen war ich immerhin hier: um ein anderer zu werden.
Vorsichtig drehte ich mich auf den Rücken, legte einen Arm über das Gesicht und schloss die Augen. »Ich werde euch nicht mit Eiszapfen bewerfen, wenn ihr über die Schwelle tretet.« Ich seufzte schwer. »Also hört schon auf da rumzulungern und kommt rein.«
Ich spürte ihr Zögern und stellte mir vor, wie sie fragende Blicke wechselten, doch dann hörte ich ihre Schritte. Ariella hockte sich auf den äußersten Rand der Matratze und legte mir vorsichtig eine Hand auf den Arm. »Hast du starke Schmerzen?«, fragte sie.
»Ziemlich«, gab ich zu und entspannte mich etwas bei dieser sanften Berührung. »Aber es wird schon besser.« Und es stimmte, das Feuer unter meiner Haut ebbte ab, als hätte mein Körper endlich begriffen, dass er gesund und unversehrt war und nicht zerfetzt auf einer einsamen Bergspitze lag.
»Was ist da oben passiert, Eisbubi?«
»Was meinst du denn, was passiert ist?« Ich nahm den Arm vom Gesicht, setzte mich auf und rieb mir die Augen. »Ich habe verloren. Ich kann keinen Schein einsetzen, ich kann mich nicht mehr so bewegen wie früher. Mein Verstand hat mir immer wieder gesagt, ich sollte diese oder jene Bewegung machen, sollte schneller agieren, doch es ging nicht. Ich habe gefroren , Puck. Kannst du dir vorstellen, wie das war, als ich schließlich begriffen habe, was da mit mir passiert?« Ich fuhr mir mit einer heftigen Bewegung durchs Haar. »Ich wäre gestorben«, fuhr ich widerwillig fort, da ich es nur ungern zugab. »Wenn der Wächter mich da nicht rausgeholt hätte, wäre ich gestorben. Diese Kreaturen hätten mich in Stücke gerissen.«
»Aber du lebst noch«, betonte Puck. »Und der Wächter hat nicht gesagt, dass du gescheitert wärst. Zumindest hat er uns nicht vor die Tür gesetzt. Also, wo ist dann das Problem, Eisbubi?«
Ich antwortete nicht, doch Ariella, die mich prüfend musterte, holte tief Luft und riet: »Meghan.« Ich zuckte schuldbewusst zusammen. »Du machst dir Sorgen, wie Meghan wohl reagieren wird, wenn sie dich so sieht.«
»So, wie ich jetzt bin, kann ich sie nicht beschützen«, erklärte ich verbittert und ballte die Fäuste, um nicht auf die Matratze einzuschlagen. »Ich bin nutzlos – ein Klotz am Bein. Ich will nicht, dass sie sich verpflichtet fühlt, ständig auf mich aufzupassen, oder dass ich nicht mehr alleine klarkomme.« Frustriert lehnte ich mich zurück und ließ meinen Kopf gegen die Wand schlagen. Der Schmerz hatte etwas Befriedigendes an sich. »Ich schätze mal, mir war nicht bewusst, was es tatsächlich heißt, ein Mensch zu sein.«
Du hast keine Ahnung, was Sterblichkeit eigentlich bedeutet, Prinz-der-keiner-ist. Die selbstgefällige Stimme der Knochenhexe erklang spöttisch in meinem Kopf. Warum willst du überhaupt einer von denen werden?
Puck schnaubte abfällig. »Du meinst also, als Mensch könntest du niemanden mehr beschützen?« Er warf mir einen finsteren Blick zu. »Das ist doch Bockmist. Wie genau wolltest du sie denn schützen, solange sie sich im Eisernen Reich befindet, Prinz? Ich dachte, wir wären hier, um dir eine Seele zu beschaffen, damit du bei ihr sein kannst, ohne dass sich deine Haut abschält. Und nun erzählst du mir, jetzt, wo du ein Mensch bist, willst du nicht mehr mit ihr zusammen sein?«
Mein Blick war ebenso unerbittlich wie seiner. »Du weißt genau, dass ich das so nicht gemeint habe.«
»Ist auch egal.« Er beugte sich über mich, so als wollte er jeden Widerspruch im Keim ersticken. »So wie ich das sehe, gibt es genau zwei Möglichkeiten, Eisbubi: Du kannst ein Mensch werden und mit Meghan zusammen sein, oder du bleibst eine Fee und bleibst von ihr getrennt. Aber du solltest dir besser verdammt schnell überlegen, was du nun willst, denn sonst ist das alles hier reine Zeitverschwendung.«
Ariella erhob sich. »Komm«, befahl sie Puck und knüpfte damit an eine alte Tradition an. Solange wir drei uns kannten, war sie stets die Friedensstifterin gewesen. »Er muss sich ausruhen. Ash, wenn du uns brauchst, wir sind gleich nebenan.«
Puck wirkte aufmüpfig, aber Ariella nahm seinen Arm und zog ihn sanft, aber unnachgiebig aus dem Zimmer. Als sich die Tür hinter den beiden schloss, ballte ich die Fäuste und starrte blicklos an die Wand. Mit einer heftigen Bewegung riss ich den Arm hoch, um Eispfeile auf die Tür zu schleudern, doch es geschah nichts. Nicht einmal ein
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