Ploetzlich Fee 04 - Frühlingsnacht
kaltes Lüftchen regte sich.
Ich hatte keine Magie mehr. Mein Schein war verschwunden; jahrhundertelang hatte ich den Herzschlag der Erde gespürt, hatte Emotionen, Träume und Leidenschaften um mich herumtosen sehen, in jedem Lebewesen, das mir begegnete. Und all das war von jetzt auf gleich vorbei. Konnte ich mich daran gewöhnen? An all das? Ich war nicht mehr so beweglich wie vorher, nicht mehr so stark, und mein Körper war jetzt Schmerzen, Krankheit und Kälte ausgeliefert. Ich war schwächer. Ich war … sterblich.
Frustriert prügelte ich auf die Matratze ein und spürte, wie die Schläge den Bettrahmen erzittern ließen. Die Knochenhexe hatte recht gehabt. Ich hatte keine Ahnung, was Sterblichkeit bedeutete.
Die Schmerzen waren inzwischen zu einem dumpfen, pulsierenden Hämmern in meinen Schläfen zusammengeschrumpft. Der Kampf, die Kälte und der Schock über meinen Fast-Tod hatten mich erschöpft. Mein Kopf sank auf die Brust und ich spürte, wie ich wegdriftete …
»Da bist du ja.« Lächelnd erschien Ariella in meinen Träumen. »Ich wusste, dass du irgendwann einschlafen würdest. Du warst ja völlig fertig.«
Ich blinzelte und fand mich unter den Ästen einer riesigen Zypresse wieder, die eine so dicke Schneedecke trug, dass jede einzelne Nadel mit Reif überzogen war. »Muss ich jetzt jedes Mal mit so etwas rechnen, wenn ich einschlafe?«, fragte ich.
Ariella erhob sich von ihrem Sitzplatz am Stamm des Baumes und kam auf mich zu, wobei sie die funkelnden Äste zur Seite schob. »Nein.« Sie nahm meine Hand und zog mich mit sich. »Meine Zeit als Seherin nähert sich dem Ende. Bald werde ich auch nicht mehr traumwandeln können, du musst mich also nicht mehr lange ertragen. Ich will dir etwas zeigen.«
Noch während sie sprach, veränderte sich die Landschaft um uns herum. Sie wurde wie Staub im Wind verweht, und schließlich standen wir auf einer mit Kies bestreuten Einfahrt und blickten auf ein altes, grünes Haus.
»Erkennst du es?«
Ich nickte. »Das ist Meghans altes Haus«, sagte ich und musterte die verwitterte, verblasste Fassade. »Hier lebt ihre Familie.«
Ein Bellen ließ mich innehalten. Die Haustür öffnete sich und Meghan kam heraus, gefolgt von einem vielleicht vier- oder fünfjährigen Kind und einem großen Schäferhund.
Ich atmete befreit auf und wollte zu ihr gehen, doch Ariella hielt mich zurück.
»Sie kann uns nicht sehen«, warnte sie mich. »Diesmal nicht. Das hier ist eher eine Erinnerung als ein echter Traum. Meghans Bewusstsein ist nicht hier, du könntest also auch nicht mit ihr sprechen.«
Als ich mich wieder umdrehte, saßen Meghan und Ethan auf einer alten Schaukel und glitten sanft vor und zurück. Ethans Füße hingen knapp über die Kante des Schaukelbretts und er strampelte immer wieder mit den Beinen, während Meghan ihm eine kleine blaue Schachtel reichte, aus der ein Strohhalm aufragte. Beau der Schäferhund stützte die Vorderpfoten auf das Brett und wollte ebenfalls hinaufkriechen, woraufhin Ethan fröhlich lachte und Meghan ihn anschrie, damit er runterging.
»Sie träumt oft von ihnen«, erklärte Ariella. »Von ihrer Familie. Besonders von dem Kleinen.«
»Das ist ihr Bruder«, murmelte ich, ohne den Blick von Meghan abzuwenden. Beau war ihrem Befehl gefolgt und hatte sich von der Schaukel zurückgezogen, woraufhin sie ihn durch ein Klopfen zu sich auf ihren Schoß holte. Sie kraulte den Hund hinter den Ohren, und als er sich zu ihr umdrehte, drückte sie ihm einen Kuss auf die Schnauze.
Ariella nickte. »Ja, das Kind, mit dem sozusagen alles begann. Als der Eiserne König ihn entführte und ins Nimmernie verschleppte, hat sie nicht gezögert und ist ihm gefolgt. Doch damit nicht genug. Als Mab ihre Magie versiegelte, sodass sie hilflos am Winterhof festsaß, hat sie es irgendwie geschafft, zu überleben, selbst als sie dachte, du hättest dich gegen sie gestellt. Dann stahlen die Eisernen Feen das Jahreszeitenzepter und sie hat die Verfolgung aufgenommen, obwohl sie weder Magie noch sonstige Waffen zur Verfügung hatte, um sich zu verteidigen. Und als beide Reiche sie baten, den Eisernen König zu vernichten, hat sie sich dieser Aufgabe gestellt, ungeachtet dessen, dass die Sommermagie und der Eiserne Schein in ihr sie krankgemacht haben und sie weder das eine noch das andere effektiv einsetzen konnte. Trotzdem ging sie ins Eiserne Reich und stellte sich dem Tyrannen, ohne genau zu wissen, ob sie ihn überhaupt schlagen konnte. Also …«
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