Ploetzlich Fee 04 - Frühlingsnacht
war klar, dass sie sich fragte, was aus den Sachen geworden war. Vielleicht redete sie sich ein, sie habe ihre Schätze verlegt oder verloren, jedenfalls zog sie es vor, die offensichtliche Erklärung zu ignorieren. Vielleicht schwante ihr sogar die Wahrheit und sie ahnte, dass sie vorsichtig sein sollte, aber ich wusste, dass ihre Begehrlichkeit sie immer wieder zurückbringen würde.
Am Tag darauf hinterließ ich ihr nichts, sah ihr aber stundenlang dabei zu, wie sie im Bach herumstapfte, erst aufgeregt, dann immer verzagter, bis es schließlich dämmerte und sie mit Tränen in den Augen verschwand. Ich grinste versonnen und plante bereits den nächsten Schritt. Langsam wurde es Zeit, die Beute zu erlegen.
Am folgenden Nachmittag platzierte ich eine weiße Rose auf einem flachen Stein am Bachufer, zog mich in den Wald zurück und wartete ab.
Kurz darauf erschien sie, und als sie die Rose entdeckte, schnappte sie überrascht nach Luft, hob die Blume fast schon ehrfürchtig auf und hielt sie so vorsichtig, als wäre sie aus reinstem Kristall. Als sie sich aufrichtete und sich mit hoffnungsvollem Blick umsah, streifte ich den Schein ab und trat zwischen den Bäumen hervor.
Sie fuhr zusammen wie ein verschrecktes Reh, doch genau, wie ich es vorausgesehen hatte, machte sie keinerlei Anstalten, vor mir zu fliehen. Geduldig wartete ich, während sie mich wortlos anstarrte und der Schreck langsam nachließ. Da ich wusste, dass die Menschen uns außergewöhnlich schön fanden, hatte ich mich entsprechend gekleidet: der attraktive Prinz in Schwarz und Silber, mit einem kurzen Mantel, der über eine Schulter drapiert war, und natürlich dem Schwert an seiner Seite. Sie gaffte mich an wie ein Fisch auf dem Trockenen, und in ihren weit aufgerissenen Augen spiegelte sich zwar Angst, aber auch Neugier und Erregung.
Ganz vorsichtig ließ ich meine Magie auf sie wirken und nahm ihr die Furcht, bis nichts als Staunen zurückblieb. Menschliche Gefühle waren unstet und flatterhaft, und daher leicht zu beeinflussen. Ich hätte sie vollständig verzaubern und dafür sorgen können, dass sie sich auf den ersten Blick hoffnungslos in mich verliebte, doch Rowan zufolge wäre das gegen die Regeln gewesen. Das war lediglich künstliche Liebe, bei der die Sterbliche nicht mehr war als eine schwärmerische, hohlköpfige Sklavin. Um sie ganz in meinen Bann zu ziehen, sodass mir ihr Körper und ihre Seele gehörten, musste ich sie vorsichtig und langsam manipulieren.
Was jedoch nicht hieß, dass ich mir nicht einen kleinen Startbonus gönnen konnte.
»Verzeih mir«, sagte ich mit kühler, beruhigender Stimme, während das Mädchen noch immer starrte. »Ich wollte dich nicht erschrecken. Doch ich beobachte dich jetzt schon eine ganze Weile, und ich konnte mich einfach nicht länger fernhalten. Ich hoffe, du empfindest meine Geschenke nicht als ungehörig.«
Das Mädchen öffnete den Mund, doch es kam kein Ton heraus. Ich wartete zwei Herzschläge lang, dann wandte ich mich ab und ließ den Kopf hängen.
»Was sage ich denn da?«, fuhr ich fort, bevor sie reagieren konnte. »Ich führe mich ja auf wie ein unzivilisierter Barbar, beobachte dich heimlich aus dem Wald. Selbstverständlich willst du da nichts von mir wissen – ich sollte gehen.«
»Nein, warte!«, rief das Mädchen – genau, wie ich es geplant hatte. Ich drehte mich wieder zu ihr um, mit einem Ausdruck von verzagter Hoffnung im Gesicht. Sie stand lächelnd am anderen Ufer des Bachs. »Es stört mich nicht«, fuhr sie fort, plötzlich verlegen und scheu. Sie verschränkte die Hände hinter dem Rücken. »Du darfst bleiben … wenn du willst.«
Ich verkniff mir ein Grinsen. Noch einfacher als gedacht.
Das Mädchen hieß Brynna, wie sie mir selbst verriet, und war die Tochter der obersten Druidenpriesterin des Dorfes. Ihre Großmutter war ebenfalls eine mächtige Priesterin und noch dazu sehr streng: Sie verbot allen Dorfbewohnern, den Wald zu betreten oder sich ihm auch nur zu nähern, da zwischen den Bäumen das »Schöne Volk« lauerte. Aber die Blumen am Waldrand waren nun einmal am schönsten, und Brynna liebte alles Schöne, deshalb wartete sie immer, bis ihre Großmutter ihren Mittagsschlaf hielt, um sich dann heimlich aus dem Dorf zu schleichen und an den Bach zu kommen.
»Und warum hasst deine Großmutter das Schöne Volk so sehr?« Dieser Name, den die Sterblichen uns gegeben hatten, belustigte mich. Wahrscheinlich benutzten sie ihn aus Furcht davor, uns bei
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