Ploetzlich Fee 04 - Frühlingsnacht
für eine Frage? Was hat er denn deiner Meinung nach die ganze Zeit hier gemacht? Blümchen gepflückt? Konntest du mit der Frage nicht rausrücken, bevor du ihn durch die Hölle geschickt hast?«
Ich packte ihn an der Schulter, um ihn zum Schweigen zu bringen. Wütend und voller Empörung sträubte er sich dagegen, doch ich wusste, warum der Wächter mir diese Frage stellte. Vorher war mir nicht klar gewesen, was es bedeutete, ein Mensch zu sein. Ich hatte es nicht verstehen können. Nicht so, wie ich gewesen war.
Jetzt schon.
Der Wächter hatte keinerlei Regung gezeigt. »Die Beseelungszeremonie beginnt bei Sonnenaufgang. Hat sie einmal begonnen, kann sie nicht mehr abgebrochen werden. Du hast die Wahl, Ritter: Solltest du es wünschen, kann ich alles ungeschehen machen – alle Erinnerungen an diesen Ort, alles, was du gelernt hast, es wird sein, als hätten die Prüfungen nie stattgefunden. Du könntest mit deinen Freunden vollkommen unverändert in das Winterreich zurückkehren, als unsterbliches, seelenloses Feenwesen.
Oder du erhebst Anspruch auf deine Seele und bekommst damit alles, was mit ihr einhergeht – ein Gewissen, die menschliche Schwäche und die Sterblichkeit.« Endlich bewegte sich der Wächter, doch nur um seinen Stab von einer Hand in die andere gleiten zu lassen, als rüste er sich zum Aufbruch. »Egal wie deine Entscheidung auch ausfällt«, fuhr er fort, »wenn du diesen Ort verlässt, wirst du niemals zurückkehren können. Wähle also klug. Ich werde wiederkommen, wenn du entschieden hast, welchen Pfad du beschreiten möchtest.«
Wählen.
Während ich tief Luft holte, spürte ich, wie sich das Band des Versprechens, das ich Meghan gegeben hatte, langsam löste. Ich hatte den Schwur erfüllt und einen Weg gefunden, wie ich zu ihr zurückkehren und ohne Angst an ihrer Seite leben konnte. Ich war frei.
Und ich hatte eine Wahl.
Ich kehrte nicht in mein Zimmer zurück, auch wenn ich mich vage daran erinnern konnte, wo es sich befand. Stattdessen suchte ich, bis ich den Innenhof fand, setzte mich unter einem verkümmerten Baum auf eine Bank und beobachtete die Sterne, die am Ende der Welt erstrahlten.
Sterblicher oder Fee? Im Moment war ich nichts von beidem, sondern stand an der Schnittstelle zwischen Menschlichkeit und Seelenlosigkeit, weder Mensch noch Fee. Ich stand kurz vor der Vollendung meiner Aufgabe, eine Seele und damit ein Leben mit Meghan war zum Greifen nah. Doch wenn die Zukunft, die der Wächter mir gezeigt hatte, sich bewahrheitete … wenn ich dazu bestimmt war, einsam und verlassen zu sterben, war es dann die Qualen wert?
Ich musste nicht ins Eiserne Reich zurückkehren. Mein Schwur war erfüllt, es stand mir frei, zu tun und zu lassen, was ich wollte. Und es gab keine Garantie, dass Meghan noch auf mich wartete, keinerlei Sicherheit, ob sie überhaupt noch wollte , dass ich zurückkam. Ich konnte auch an den Winterhof zurückkehren, zusammen mit Ariella. Es könnte wieder so sein wie früher …
Wenn ich das denn wirklich wollte.
»Hey.« Ariellas sanfte Stimme schob sich in meine Gedanken. Sie setzte sich so dicht neben mich, dass unsere Schultern sich berührten. »Puck hat mir von der letzten Prüfung und der Zeremonie morgen früh erzählt. Ich gehe mal davon aus, dass du dich noch nicht entschieden hast.« Ich schüttelte den Kopf und sie strich mir zärtlich eine Locke aus der Stirn. »Warum quälst du dich noch so, Ash?«, fragte sie leise. »Du bist schon so weit gekommen. Du weißt, was du zu tun hast. Das wolltest du doch die ganze Zeit.«
»Ich weiß.« Erschöpft sank ich in mich zusammen und stützte die Ellbogen auf die Knie. »Aber diese letzte Prüfung, Ari …« Mit geschlossenen Augen ließ ich die Erinnerungen an dieses andere Leben an mir vorbeiziehen. »Ich habe meine Zukunft mit Meghan gesehen«, erklärte ich ihr, öffnete die Augen und starrte blicklos auf meine Hände. »Ich bin zu einem Menschen geworden und in das Eiserne Reich zurückgekehrt, um mit ihr zusammen zu sein, genau wie ich es mir vorgenommen hatte. Und am Anfang waren wir glücklich … ich war glücklich. Aber dann …« Über uns schwebte träge ein blauer Komet vorbei. »Sie blieb unverändert«, murmelte ich schließlich. »Sie und mein Sohn, sie haben sich nie verändert. Und ich … ich konnte nicht mithalten. Ich konnte sie nicht beschützen, konnte nicht an ihrer Seite kämpfen. Und am Ende war ich ganz allein.«
Ariella musterte mich schweigend. Seufzend fuhr ich
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