Ploetzlich Fee 04 - Frühlingsnacht
einem Felsen saß. »Ein paar Minuten, bevor du aufgewacht bist, ist sie weggegangen«, erklärte Puck leise und musterte mich scharf. »Erst wollte ich ihr folgen, aber sie meinte, sie wolle ein wenig allein sein.« Jetzt spürte ich, wie sein Blick mich durchbohrte. »Was hast du zu ihr gesagt, Ash?«
Ich war vollkommen durcheinander und wurde in so viele Richtungen gezerrt, dass es sich anfühlte, als würde ich gleich zerreißen. Meghans letzte Worte, die aufflackernde Eifersucht in Ariellas Blick, der schmale Grat zwischen dem Mädchen, das ich einst verloren hatte, und dem anderen, das ich haben wollte, aber nicht haben konnte – das alles brodelte in mir und ließ mich keinen klaren Gedanken fassen. Ja, Ari hatte Meghan in der Traumwelt eindeutig provoziert, aber trotzdem konnte ich ihren Schmerz nicht einfach ignorieren.
Ohne weiter auf Puck zu achten, ging ich zu Ariella hinüber. Sie hielt den Kopf gesenkt und ihr silbernes Haar verdeckte wie ein Vorhang ihr Gesicht. Als ich mich ihr näherte, hob sie den Kopf, sah mich aber nicht an.
»Das war sie also.«
Ich zögerte. Ihre Stimme klang ausdruckslos, kein bisschen Gefühl schwang darin mit, keinerlei Hinweis darauf, was sie empfand. Da ich nicht sicher war, wie ich weitermachen sollte, beschränkte ich mich auf ein »Ja«.
Einige Herzschläge lang schwieg sie. Als sie schließlich fortfuhr, lächelte sie kaum wahrnehmbar, aber es war ein bitteres Lächeln wie herabfallende Blätter im Herbst. »Ich verstehe jetzt, warum du sie so liebst.«
Ich schloss die Augen. »Ari …«
Doch bevor ich irgendetwas sagen konnte, stand sie hastig auf, drehte sich aber noch immer nicht zu mir um. »Ich weiß. Ash, es tut mir leid. Ich …« Ihre Stimme stockte, sie schob sich das Haar aus dem Gesicht und fügte mehr für sich selbst hinzu: »Ich hätte nicht gedacht, dass es so schwer werden würde.«
Ich betrachtete sie im Widerschein des flackernden Feuers, der über ihr silbernes Haar tanzte, ich sah, wie sie sich voller Grazie und Selbstsicherheit bewegte, und musste daran denken, wie ich mich vor so vielen Jahren in sie verliebt hatte. Sie war noch ebenso schön wie damals, als ich selbst ein junger, arroganter Prinz gewesen war. Die Zeit hatte ihrer Makellosigkeit nichts anhaben können. Und ich musste daran denken, was Meghan gesagt hatte: dass das Schicksal uns eine zweite Chance gegeben habe; dass Ariella in mein Leben zurückgekehrt sei und ich nun glücklich werden könne.
Konnte ich mit Ariella glücklich werden?
Kopfschüttelnd schob ich diesen Gedanken beiseite, bevor er zu verlockend wurde, und weil ich fühlte, wie sich ein weiteres Fädchen aus dem Gewebe meines Seins zu lösen begann. Es spielte keine Rolle, sagte ich mir zähneknirschend. Egal, was ich empfand, ich konnte mein Vorhaben nicht aufgeben. Ich hatte geschworen, eine Möglichkeit zu finden, um zu Meghan zurückzukehren, und an diesen Eid war ich gebunden. Ich konnte mein Wort nicht brechen, selbst wenn ich dafür das Unmögliche versuchen musste. Selbst wenn Meghan nicht länger auf mich warten sollte, weil sie mir Lebewohl gesagt und mich freigegeben hatte. Ich konnte nicht aufgeben, selbst jetzt nicht.
Selbst wenn ich sterben und alle anderen mit mir nehmen sollte.
»Endlich wach, also?« Der Wolf tauchte aus den Schatten auf wie ein Stück lebendig gewordene Nacht. »Ich war schwer in Versuchung, dir während deiner Ohnmacht die Kehle durchzubeißen und dich aus deinem Elend zu erlösen, kleiner Prinz. Dir beim Schlafen zuzusehen wurde langsam ermüdend.« Er leckte sich das Maul, dessen Fell rot verschmiert war, und fletschte dann die Zähne. »Wir haben hier schon genug Zeit verschwendet, außerdem ist mir langweilig. Möchtest du nun zum Feld der Prüfungen oder nicht?«
»Doch«, versicherte ich, als Puck mit einigen Pilzspießen in der Hand zu uns trat. »Zeit zum Aufbruch. Wohin gehen wir jetzt?«
Ariella schloss die Augen. »Wir folgen dem Fluss der Träume«, murmelte sie, »durch die Hecke hindurch, bis wir die letzte Barriere erreichen, und dann das Ende der Welt. Jenseits dieser Grenze erwartet uns das Feld der Prüfungen.«
»Aus deinem Munde klingt das vollkommen simpel.« Seufzend schob sich Puck noch einen Pilz in den Mund. »Durch die Hecke, sagst du? Und dann über das Ende der Welt hinaus? Wie lange werden wir dafür wohl brauchen?«
»Es dauert, so lange es eben dauert«, erklärte ich entschlossen. »Solange ich genug Luft in den Lungen habe, um
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