Plötzlich Fee Bd. 3 Herbstnacht
»Was?«
»Schein. Du weißt schon, die Magie, die zu benutzen ich dich einmal lehren wollte, bevor ich entdeckt habe, dass du keinerlei Talent dafür hast?« Grimalkin schlug nach der Hummel, als sie sich ihm näherte, verfehlte sie aber, woraufhin er so tat, als würde sie ihn überhaupt nicht interessieren, während das Insekt eilig davonflog. Er rümpfte die Nase, zuckte mit dem Schwanz und richtete den Blick wieder auf mich. »Der Winterprinz setzt im Kampf nicht nur sein Schwert ein – ihm steht auch der Schein zur Verfügung, genau wie deinen Feinden. Was planst du dem entgegenzusetzen, Mensch?«
Bevor ich etwas sagen konnte, setzte er sich ruckartig auf und seine Aufmerksamkeit richtete sich auf einen großen orangefarbenen Schmetterling, der in unsere Richtung flatterte. Dann sprang er von seinem Felsen und verschwand im hohen Gras.
Ich sah Ash fragend an, der seufzend sein Schwert in die Scheide steckte.
»Er hat leider recht«, sagte er dann und fuhr sich mit einer Hand durchs Haar. »Der Unterricht mit dem Schwert sollte nur die Hälfte deiner Ausbildung ausmachen. Ich wollte auch, dass du lernst, wie du den Schein einsetzen kannst.«
»Ich weiß doch, wie man Schein einsetzt«, widersprach ich gereizt, weil Grimalkins lapidare Feststellung, ich hätte kein Talent, immer noch schmerzte. Ash zog wortlos eine Augenbraue hoch, woraufhin ich seufzend sagte: »Na schön, dann werde ich es dir eben beweisen. Pass gut auf.«
Er trat ein paar Schritte zurück und ich schloss die Augen, bevor ich meine Sinne nach dem Wald ausstreckte, der mich umgab.
Augenblicklich war mein Bewusstsein erfüllt von den verschiedensten wachsenden Dingen: dem Gras unter meinen Füßen, den Ranken, die sich über den Boden schlängelten, den Wurzeln der Bäume, die uns umstanden. Auf dieser Lichtung herrschte der Sommer mit aller Macht. Ob durch Leanansidhes Einfluss oder durch etwas anderes – die Pflanzen hier waren schon seit langer Zeit nicht mehr von Winter, Kälte oder Tod berührt worden.
Ashs Stimme störte meine Konzentration und ich öffnete die Augen. »Du hast sicher große Macht, aber wenn du sie einsetzen willst, musst du lernen, sie zu kontrollieren.« Er bückte sich, pflückte etwas aus dem Gras und hielt es mir hin. Es war eine winzige Blume, deren weiße Blütenblätter noch geschlossen und zu einer kleinen Kugel gefaltet waren.
»Lass sie erblühen«, wies Ash mich sanft an.
Stirnrunzelnd starrte ich auf die kleine Knospe und meine Gedanken überschlugen sich. Okay, ich kann das. Ich habe schon Wurzeln aus dem Boden gezogen, Bäume in Bewegung versetzt und eine Ladung fliegender Pfeile abgewehrt. Ich kann dafür sorgen, dass so ein winziges Blümchen blüht. Trotzdem zögerte ich. Ash hatte recht: Ich konnte den Schein, der mich umgab, zwar spüren, war aber immer noch unsicher, wenn es darum ging, wie man ihn genau benutzte.
»Brauchst du vielleicht einen kleinen Tipp?«, fragte Grimalkin von einem nahen Felsen. Überrascht fuhr ich zusammen und er zuckte belustigt mit einem Ohr. »Stell dir die Magie als einen Fluss vor«, fuhr er fort, »dann als ein Band, dann als einen Faden. Wenn er so schmal ist, wie es nur irgendwie geht, benutze diesen Faden, um damit die Blütenblätter aufzubiegen. Alles Stärkere würde die Blüte zerreißen, was zur Folge hätte, dass der Schein sich wieder verteilt.« Er blinzelte weise, dann erregte ein Schmetterling am Bach seine Aufmerksamkeit und er sprang erneut davon.
Ich sah kurz zu Ash, weil ich fürchtete, er könne gereizt darauf reagieren, dass Grimalkin mir half, aber er nickte nur. Also holte ich tief Luft und hielt den Schein in meinem Bewusstsein fest – einen wirbelnden, bunten Strudel aus Emotionen und Träumen. Voll konzentriert ließ ich ihn schrumpfen, bis er nur noch ein schimmerndes Seil war, dann weiter, bis er nicht mehr als ein glänzender, zarter Faden in meinem Geist war.
Mir lief der Schweiß über die Stirn und meine Arme begannen zu zittern. Mit angehaltenem Atem berührte ich mit dem Scheinfaden ganz vorsichtig die Blüte, schob Magie in die winzige Knospe und ließ sie sich dann sanft ausbreiten. Die Blütenblätter zitterten kurz und öffneten sich dann langsam.
Ash nickte anerkennend.
Ich grinste, aber bevor ich meinen Triumph feiern konnte, überkam mich Schwindelgefühl wie eine Flutwelle, die mich fast umgehauen hätte. Die Welt drehte sich wie wild und ich spürte, wie meine Knie nachgaben – ein Gefühl, als hätte jemand den
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