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Plötzlich Fee Bd. 3 Herbstnacht

Plötzlich Fee Bd. 3 Herbstnacht

Titel: Plötzlich Fee Bd. 3 Herbstnacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julie Kagawa
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über die Fotos in dem Album, während seine Tränen auf die Seiten und auf meine Hände tropften. Ash verließ leise den Raum, ich legte einen Arm um meinen Dad und wir weinten gemeinsam.
    Von diesem Tag an sprach er mit mir. Zunächst waren es nur zögerliche, stockende Gespräche, während wir auf dem Sofa saßen und in dem Album blätterten. Er war so labil – sein Verstand so zerbrechlich wie dünnes Glas, das von einem Windhauch zersplittern kann. Aber ganz langsam fing er an, sich an meine Mom und mich zu erinnern, an sein altes Leben, obwohl er keine Verbindung herstellen konnte zwischen dem Kleinkind aus dem Album und dem Teenager, der neben ihm auf dem Sofa saß. Er fragte oft, wo Mom und die kleine Meghan seien, und dann musste ich ihm wieder und wieder erklären, dass Mom jetzt mit einem anderen verheiratet war, dass er elf Jahre lang verschwunden gewesen war und dass sie nicht mehr auf ihn wartete. Und ich musste mit ansehen, wie die Tränen in seine Augen aufstiegen, wann immer er das hörte.
    Es tat mir in der Seele weh.
    Die Abende waren am härtesten. Ash stand zu seinem Wort – er übte nie Druck aus und achtete darauf, dass jede Interaktion zwischen uns locker und unverbindlich blieb. Er wies mich nie ab. Wenn ich jemanden brauchte, um nach einem anstrengenden Tag mit meinem Vater Dampf abzulassen, war er immer da, gelassen und stark. Dann rollte ich mich auf dem Sofa neben ihm zusammen und er hörte mir zu, wenn mein Frust und meine Ängste aus mir hervorbrachen. Manchmal lasen wir auch einfach gemeinsam ein Buch – ich lag dann auf seinem Schoß und er blätterte die Seiten um. Allerdings war unser Büchergeschmack extrem unterschiedlich und für gewöhnlich schlief ich mittendrin ein.
    Eines Abends, als ich besonders gelangweilt und ruhelos war, fand ich in einem Schrank einen Stapel verstaubter Brettspiele und nötigte Ash dazu, Scrabble, Dame und Kniffel zu lernen. Überraschenderweise stellte Ash fest, dass ihm diese »Menschenspiele« Spaß machten, und bald fragte er öfter mich, ob wir spielen wollten, statt andersrum. Das füllte einige der langen, ruhelosen Abende und lenkte mich von gewissen anderen Dingen ab. Blöd war nur, dass Ash, sobald er die Regeln gelernt hatte, in Strategiespielen wie Dame nahezu unschlagbar war und dass er durch sein langes Leben auf einen riesigen Schatz an langen, komplizierten Worten zurückgreifen konnte, mit denen er bei Scrabble punktete. Auch wenn das manchmal damit endete, dass wir uns darüber stritten, ob es erlaubt war, Feenbegriffe wie Gwragedd Annwn oder Hobyahs zu benutzen.
    Trotzdem genoss ich unsere gemeinsame Zeit, da ich genau wusste, dass diese friedliche Atempause irgendwann ein Ende finden würde.
    Doch zwischen uns stand jetzt eine unsichtbare Mauer, eine Barriere, die nur ich allein einreißen konnte, und das machte mich ziemlich fertig.
    Und auch wenn ich es nicht wollte, ich vermisste Puck. Puck konnte mich einfach immer zum Lachen bringen, selbst wenn die Dinge wirklich übel aussahen. Manchmal erhaschte ich im Wald einen kurzen Blick auf ein Reh oder einen Vogel und fragte mich, ob das wohl Puck war, der uns beobachtete. Dann wurde ich wütend auf mich selbst, weil ich überhaupt darüber nachdachte, und verbrachte den Rest des Tages mit dem Versuch, mir einzureden, dass es mir egal war, wo er sich rumtrieb oder was er machte.
    Aber trotzdem fehlte er mir.
    Eines Morgens ein paar Wochen später waren Ash und ich gerade dabei, unser tägliches Übungsprogramm zu beenden, als Grimalkin auf einem Felsen erschien und uns beobachtete.
    »Du verrätst immer noch jede deiner Bewegungen«, sagte Ash, während wir einander mit erhobenen Waffen umkreisten. »Schau nicht auf den Punkt, den du zu treffen versuchst, sondern lass dein Schwert von allein dorthin wandern.« Er machte einen Ausfallschritt und zielte dabei auf meinen Kopf. Ich duckte mich und drehte mich weg, dabei führte ich einen Schlag gegen seinen Rücken, den er mit zufriedener Miene parierte. »Gut. Du bist auch schneller geworden. Für die meisten Dunkerwichtelschläger wärst du bereits ein ernst zu nehmender Gegner, falls sie irgendwas versuchen sollten.«
    Bei dem Kompliment musste ich grinsen, aber Grimalkin, der bis jetzt geschwiegen hatte, fragte: »Und was passiert, wenn sie Schein gegen sie einsetzen?«
    Ich drehte mich um. Grimalkin hatte den Schwanz um die Pfoten gelegt und beobachtete völlig fasziniert eine gelbe Hummel, die taumelnd über die Wiese schwebte.

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