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Plötzlich Fee Bd. 3 Herbstnacht

Plötzlich Fee Bd. 3 Herbstnacht

Titel: Plötzlich Fee Bd. 3 Herbstnacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julie Kagawa
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immer noch den ganzen Rest unseres Lebens Zeit haben. Ich gehe nirgendwohin, das verspreche ich dir.« Er zog mich noch enger an sich und hauchte mir einen Kuss aufs Ohr. »Ich werde warten. Sag mir einfach, wenn du so weit bist.«
    Damit ließ er mich los und ging nach unten. Ich blieb noch ein paar Minuten auf der Empore stehen, lauschte den Klavierklängen und ließ mich von meinen Gedanken an verbotene Orte tragen.

Sommer und Eisen
    Im Laufe der Tage entwickelten wir eine zuverlässige, wenn auch nicht gerade angenehme Routine.
    Bei Sonnenaufgang, noch bevor die ersten Strahlen den Waldboden berührten, ging ich auf die kleine Lichtung hinaus und machte mit Ash Schwertkampfübungen. Er entpuppte sich als geduldiger, aber strenger Lehrer, der mich dazu trieb, meine Zurückhaltung aufzugeben und so zu kämpfen, als wollte ich ihn wirklich töten. Er brachte mir auch Verteidigungsstrategien bei, wie ich um den Gegner herumtänzeln konnte, ohne getroffen zu werden, und wie ich die Energie meines Gegners gegen ihn einsetzen konnte.
    Als sowohl meine Fähigkeiten als auch mein Selbstbewusstsein zunahmen und unsere Übungskämpfe etwas ernster wurden, fing ich langsam an, ein Muster zu erkennen, einen bestimmten Rhythmus in der Kunst des Schwertkampfs. Es wurde mehr und mehr zu einer Art Tanz: eine Komposition aus Drehungen, wirbelnden Klingen und ständiger Beinarbeit. Ich war natürlich nicht mal annähernd so gut wie Ash und würde es auch niemals sein, aber ich lernte kontinuierlich dazu.
    Die Nachmittage verbrachte ich damit, mit meinem Dad zu reden und zu versuchen, ihn aus seinem Panzer des Wahnsinns zu holen, wobei ich mir oft vorkam, als würde ich immer und immer wieder mit dem Kopf gegen eine Wand rennen. Es war ein langsamer, schmerzhafter Prozess. Seine lichten Momente waren sehr selten, und die Hälfte der Zeit erkannte er mich nicht einmal. Die meisten Tage liefen so ab, dass er Klavier spielte, während ich in einem Sessel saß und mit ihm redete, wann immer die Musik aussetzte. Manchmal war Ash dabei, lag auf dem Sofa und las ein Buch. Manchmal verschwand er aber auch stundenlang im Wald. Ich hatte keine Ahnung, wohin er dann ging oder was er trieb, bis irgendwann Kaninchen oder andere Tiere zum Abendessen serviert wurden und mir dämmerte, dass die fehlenden Fortschritte wohl auch an seinen Nerven zerrten.
    Eines Tages kam er zurück und überreichte mir ein großes, in Leder gebundenes Buch. Als ich es aufschlug, erkannte ich geschockt, dass es voller Familienfotos war. Bilder meiner Familie von … früher. Paul und meine Mom bei ihrer Hochzeit. Ein niedlicher Mischlingswelpe, den ich nicht kannte. Ich als Baby, dann als Kleinkind, dann als grinsende Vierjährige auf einem Dreirad.
    »Ich habe eine Gefälligkeit eingefordert«, erklärte Ash, weil ich ihn fassungslos anstarrte. »Der Schwarze Mann, der im Schrank deines Bruders lebt, hat es für mich aufgespürt. Vielleicht hilft es deinem Vater ja dabei, sich zu erinnern.«
    Ich umarmte ihn. Er hielt mich locker und achtete darauf, mich nicht fest an sich zu drücken oder auf sonst irgendeine Art zu reagieren, die uns in Versuchung führen könnte. Doch ich genoss das Gefühl seiner Arme an meinem Körper und atmete tief seinen Duft ein, bevor er sich sanft von mir löste. Ich schenkte ihm noch ein dankbares Lächeln, dann wandte ich mich wieder meinem Vater am Klavier zu.
    »Dad«, sagte ich leise und setzte mich behutsam neben ihn auf die Klavierbank. Er warf mir einen wachsamen Blick zu, aber wenigstens zuckte er nicht zusammen oder wich zurück und fing an, auf die Tasten einzuhämmern. »Ich habe hier etwas, das ich dir zeigen möchte. Schau dir das mal an.«
    Ich schlug die erste Seite auf und wartete darauf, dass er zu mir rübersehen würde. Zunächst ignorierte er das Album bewusst, beugte sich tiefer über die Tasten und weigerte sich, aufzuschauen. Sein Blick zuckte einmal zu der Albumseite hinüber, doch er spielte weiter und seine Miene veränderte sich nicht. Nach ein paar Minuten wollte ich schon aufgeben und mich aufs Sofa zurückziehen, um selbst in dem Album zu blättern, da geriet die Musik plötzlich aus dem Takt. Überrascht sah ich ihn an und mein Magen zog sich zusammen.
    Tränen liefen ihm übers Gesicht und fielen auf die Tasten. Während ich ihn wie gelähmt anstarrte, setzte die Musik immer wieder aus und verstummte schließlich, als mein Vater zu schluchzen begann. Er beugte sich zu mir und seine langen Finger strichen

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