Plötzlich Fee - Das Geheimnis von Nimmernie: Band 5 - (German Edition)
schon ziemlich abgenutzt und zerrissen war. Vorsichtig schüttelte ich es aus, hängte es über ein paar Dornen und schob es beiseite. Zwischen den Ranken tat sich ein schmales Loch auf. Ash, der immer noch Vi trug, schlüpfte hindurch, und ich folgte ihm, nicht ohne das Tuch wieder von den Dornen zu reißen. Die Rankenwand verschwand und die Geräusche unserer Verfolger verstummten so abrupt, als hätte jemand einen Fernseher ausgeschaltet. Als sich die Dunkelheit auf uns herabsenkte, atmete ich erleichtert auf.
»Wo sind wir?«, flüsterte Ash ganz in meiner Nähe.
Ich schnippte mit den Fingern, und prompt flackerte in einem gemauerten Kamin ein Feuer auf, in dessen Schein eine kleine Blockhütte mit Holzboden und Stützpfeilern aus lebenden Bäumen sichtbar wurde. Ein Zwischengeschoss erstreckte sich über die Hälfte der Hütte, jenseits davon war das aufragende Strohdach zu erkennen. Aus den Ecken spähten kleine Tiere hervor, die eher neugierig als ängstlich wirkten.
»Willkommen in meinem bescheidenen Domizil«, sagte ich grinsend zu Ash.
Der sah sich mit verhaltenem Staunen in der winzigen Hütte um. »Das hier ist dein Haus, Goodfellow?«
»Eines von vielen.« Ich verscheuchte einen Fuchs aus einem Sessel und ließ mich mit einem wohligen Seufzer hineinsinken. »Ich halte mir gerne einen Rückzugsort frei, um dem Wahnsinn bei Hofe entfliehen zu können. Einen Platz, an dem ich entspannen kann, ohne dass jemand weiß, wo ich bin.«
»Wo du dich verstecken kannst, wenn Oberon dir mal wieder nach dem Leben trachtet, meinst du wohl?«
»Autsch, Eisbubi. Sei in meinem eigenen Heim ein wenig netter zu mir, ja? Sonst bereue ich es vielleicht noch, dich hierher gebracht zu haben.« Ich lehnte mich zurück, legte die Füße auf einen kleinen Schemel und überkreuzte die Knöchel. »Keine Sorge, der Ort liegt in der Welt der Sterblichen – bei Hofe kann niemand mehr spüren, wo wir sind.«
Ash wirkte erleichtert. »Dann haben wir es also geschafft«, murmelte er mit einem Blick auf die Wand, aus der wir vor wenigen Sekunden anscheinend direkt herausgekommen waren. »Wir haben die ›Violine‹ gefunden und es aus dem Sommerreich rausgeschafft.« Mit einem tiefen Seufzer musterte er das schlafende Mädchen auf seinem Arm. »Dann bleibt wohl nur noch die Frage, was wir jetzt tun werden, oder?«
Ich zeigte auf ein Bett in einer der Ecken. Ash legte die Sterbliche auf die Überdecke, und das für einen Winterprinzen erstaunlich sanft. Ich konnte mich nicht daran erinnern, dass er so umsichtig gewesen wäre, bevor er Meghan begegnet war. Vi zappelte ein wenig und murmelte ein leises »Mommy«, wachte aber nicht auf.
»Leanansidhe wartet sicher schon auf uns«, sagte ich, während der Fuchs auf meinen Schoß sprang, sich dort zusammenrollte und die Schnauze unter seinem buschigen Schwanz versteckte. Geistesabwesend streichelte ich seinen rötlichen Pelz. »Wahrscheinlich ist sie bereits unterwegs.«
»Ja.« Ash seufzte wieder und verschränkte die Arme, ohne das Mädchen aus den Augen zu lassen. »Wie würdest du es angehen, Goodfellow?«
Ich dachte kurz nach, dann zog ich schwungvoll die Füße vom Schemel und stand auf, wobei der Fuchs auf dem Boden landete. Er bellte empört und trottete aus der Tür. »Keine Sorge, Eisbubi«, meinte ich dann fröhlich und ging in die obere Etage, um etwas zu holen. »Ich habe noch einen kleinen Trumpf in petto.«
6
»Beklatscht, lässt Puck euch nie im Stich!«
»Meine Lieben!«
Leanansidhe stand im hohen Gras vor der Hütte und strahlte uns an, als wir durch die Tür kamen. Das Mädchen lag immer noch fest schlafend in den Armen des Prinzen. »Ihr habt sie gefunden, meine Lieben! Ich wusste, dass ihr es schaffen würdet. Ich hatte vollstes Vertrauen in eure Fähigkeiten.« Voller Dramatik legte sie eine Hand an die Brust. »Oh, ich wünschte, ich könnte Titanias Gesicht sehen, wenn sie entdeckt, dass ihr kleines Spielzeug nicht mehr da ist.«
Ash trat vor. »Unser Handel ist vollzogen«, erklärte er fest. »Wir haben gefunden, was dir gestohlen wurde, und haben es dir zurückgebracht. Damit habe ich meinen Teil der Abmachung erfüllt. Ich schulde dir nichts mehr.«
»Selbstverständlich, Liebes.« Leanansidhe lächelte ihn strahlend an. »Du hast hervorragende Arbeit geleistet. Wenn du sie jetzt einfach dort hinlegst, mein Täubchen, dann werden meine Bediensteten sie dir abnehmen.«
Ash ließ das Mädchen nicht los. Ich spürte sein Zögern, dann holte er tief
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