Plötzlich Fee - Das Geheimnis von Nimmernie: Band 5 - (German Edition)
gemacht; ich hatte ihm die Nummer sofort abgekauft. Ich war wirklich überzeugt, er hätte mich nur benutzt und mich dann fallen gelassen, er hätte mir das Herz gebrochen. Erst später war mir klar geworden, wie viel Ash geopfert hatte, um mich zu beschützen.
Gott, war ich naiv , dachte ich, während ich beobachtete, wie die kristallenen Stalaktiten vor dem Kutschenfenster vorbeizogen. Mabs Palast befand sich in einer riesigen Eishöhle, deren Decke so hoch war, dass sie sich in der Dunkelheit den Blicken entzog. Es war reines Glück, dass ich nicht schon am ersten Tag gefressen worden war. Könnte ich zu diesem Moment zurückkehren und ein ernstes Wort mit mir selbst reden, würde ich mir wahrscheinlich eine runterhauen. Der Gedanke an das schüchterne, verunsicherte Mädchen von damals entlockte mir einen Seufzer. Du kannst es dir nicht mehr leisten, dein Herz auf der Zunge zu tragen, Meghan. Nicht am Winterhof. Du bist jetzt die Eiserne Königin. Ein ganzes Königreich verlässt sich darauf, dass du stark bleibst.
Langsam kam der Palast in Sicht, ein Schloss in makellosem, frostigem Blau, mit Eiszapfen an den Türmen und Reif auf jeder Stufe, ebenso schön wie tödlich. Genau wie seine Eigentümerin.
Die zugegebenermaßen nicht sonderlich entzückt war, dass ich ihren liebsten – und inzwischen einzigen – Sohn geheiratet habe.
Ash starrte mit ausdrucksloser Miene zum Palast hinüber, sein Blick schien in weite Ferne gerichtet zu sein. Versunken in Erinnerungen, genau wie ich. Trauer, Mitgefühl und Schuld zerrten an mir. Es musste schwer für ihn sein.
»Hey.« Ich strich über seine Hand und spürte den schmalen Goldring mit den silbernen Ranken und Blättern, der an seinem Ringfinger steckte – das Gegenstück zu meinem. Fast schon schuldbewusst drehte er sich zu mir um. Mit einem zögerlichen Lächeln fragte ich: »Alles in Ordnung?«
»Ja.« Er nickte. »Es geht mir gut. Alles nur …« Mit dem Kinn deutete er auf die vereisten Türme jenseits der Dächer und zuckte mit den Schultern. »Erinnerungen.«
»Vermisst du es?«
»Den Hof? Die Gerüchte und Intrigen, die Notwendigkeit, ständig auf der Hut zu sein und alles abzuwägen, was ich sagen oder tun will? Wohl kaum.« Er schnaubte abfällig, und ich hörte es voller Erleichterung.
»Allerdings …« Seufzend schaute er wieder aus dem Fenster. »Da gibt es schon ein paar Dinge, die ich vermisse. Ich habe so lange hier gelebt, ich kannte den Winterhof besser als irgendjemand sonst. Das tue ich heute noch. Doch jetzt …« Er runzelte die Stirn. »Wenn ich mir Tir Na Nog jetzt so ansehe, fällt mir vor allem auf, was alles fehlt: Die Familie existiert nicht mehr, Rowan ist weg, Sage ist weg.« Sein Blick wurde trüb, und ich spürte die Reue, den nagenden Schmerz und die Schuld, die ihn umtrieben. »Ich hätte nie gedacht, dass sie mir einmal fehlen würden«, fuhr er leise fort. »Hätte nie gedacht … dass ich einmal der Letzte meiner Ahnenreihe sein würde.«
Ich nahm seine Hand und drückte sie sanft, sodass sich das kühle Metall seines Eherings in meine Haut schmiegte. »Es tut mir leid, Ash«, flüsterte ich, als er mich schließlich ansah. »Ich kann mir nicht einmal vorstellen, wie sich das anfühlt. Obwohl ich meine Familie auch schrecklich vermisse, und die leben immerhin noch.«
»Das ist ein kleiner Unterschied.« Er schenkte mir ein schmales Lächeln, doch es erreichte seine Augen nicht. »In deiner Familie liebt man sich gegenseitig – du würdest alles tun, um sie zu schützen. Meine Familie hingegen … na ja, du hast sie ja kennengelernt. In Gegenwart meiner Brüder musste ich stets wachsam sein, vor allem bei Rowan. Und Mab …« Er schüttelte traurig den Kopf. »Mab war immer in erster Linie Winterkönigin, und sie hat stets dafür gesorgt, dass wir das niemals vergessen.«
»Und trotzdem fehlen sie dir.«
»Ja«, gab er zu. »Ich war Teil des Hofes. Alles war vertraut, es war ein sicherer Rahmen. Ich habe dazugehört. Trotz aller grausamen Spielchen, trotz der unzähligen Gelegenheiten, bei denen wir einander benutzt haben, wusste ich doch, dass Rowan, Sage und Mab immer da sein würden.« Er blickte auf seine Hand, die entspannt in meiner ruhte. »Aber jetzt ist alles anders. Meine Brüder sind fort, und ich bin am Winterhof nicht länger willkommen. Zumindest nicht mehr so wie früher.«
»Heimweh?«
»Tir Na Nog ist nicht länger mein Heim.« Erst jetzt sah Ash hoch und begegnete meinem Blick. Seine Augen
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